Der Drops ist gelutscht: Bonbon-Experte Wolf Schiebel hört auf

»Pfirsich, Yuzu und Tomate«

Die »Bonbonmanufaktur« in Ehrenfeld hat geschlossen. Besitzer Wolf Schiebel über guten Zucker, Süßwarentechnologie und Pikantes zum Lutschen

Herr Schiebel, war die Corona-Pandemie der Grund, dass Sie Ihr Geschäft aufgegeben haben?

Ohne Pandemie wäre die Entscheidung anders oder später gekommen, aber es war eine bewusste Entscheidung, zu der mich nicht alleine Corona gezwungen hat. Aber in der Bonbonmanufaktur fehlten die Laufkundschaft und auch die Nachfrage nach Kursen für Kindergeburtstage, Junggesellenabschiede oder an Stadtführungen. Trotzdem spüre ich keine Verbitterung. Es waren schöne Jahre.

In Köln sind Bonbons vor allem »Kamelle« — billiges Wurfmaterial. Fehlt die Wertschätzung?

Das habe ich selten erlebt. Wer zu mir kam, der wusste in der Regel zu schätzen, wie aufwendig es ist, Bonbons herzustellen, und war auch bereit, für die Arbeit und die hochwertigen Rohstoffe Geld zu bezahlen.

Wie steht es grundsätzlich um das Handwerk?

In Deutschland wurden Bonbons zunächst in Drogerien und Apotheken hergestellt. Teils wurden Medikamente eingearbeitet, um diese leichter einnehmen zu können. Im 20. Jahrhundert sind Manufakturen entstanden, die der Industrialisierung zum Opfergefallen sind. Bis 1991 war Bonbonmacher in der Handwerksrolle eingetragen, heute heißt die Ausbildung Süßwarentechnologe. Da lernt man, Maschinen und Produktionsstraßen zu bedienen. Das hat nicht mehr viel mit Handwerk zu tun. Aber seit der Jahrtausendwende hat die handwerkliche Fertigung einen Boom erfahren. In fast jeder größeren Stadt gibt es wieder eine Bonbon-Manufaktur, in Köln noch das Kamellebüdchen in der Südstadt.

Was macht ein gutes Bonbon aus?

Geschmack! Bonbons sind — da muss man ja ehrlich sein — gefärbter und mit Geschmack versehener Zucker. Aber es ist ein Unterschied, ob man weißen Industriezucker verwendet oder Roh-Rohrzucker in Bio-Qualität, der hat an sich schon mehr Karamellnoten. Der Reiz war, Aroma-Kombinationen zu finden, die mit diesem Eigengeschmack funktionieren. Es ist einfacher, etwas zum Schmecken zu bringen, wenn es geschmacksneutral ist.

Was sind Ihre Lieblingsbonbons?

Ich habe mich am Ende auf Bonbon-Mischungen konzentriert. Topseller war die »Ehrenfeld-Mischung«, zum Beispiel mit einem Whiskey-Cola-Bonbon als Erinnerung an den Club Underground oder einem weißen Pfefferminzbonbon, das die Edelweißpiraten ins Gedächtnis rufen sollte. Solche Geschichten mit dem Produkt zu erzählen, hat Spaß gemacht. Bei den Bonbons selbst habe ich viel experimentiert. Interessant war zum Beispiel ein Bonbon mit Kiwi, Basilikum und Rose. Die wildeste Kombination war Pfirsich, Yuzu und Tomate. Von einem Besuch im Schwarzwald bin ich mit der Idee zurückgekommen, den Geschmack einer Schwarzwälder Kirschtorte in ein Bonbon zu bringen — und zwar zuckerfrei.

Zuckerfrei?

Bonbons haben den Ruf einer industriell gefertigten Zuckerschleuder. Das war mein Hauptmotiv, zuckerfrei zu arbeiten. Ich habe meist Isomalt verwendet — auch ein Zucker, aber kein Einfachzucker, sondern ein Mehrfachzucker, der aus Rüben gewonnen wird. Isomalt ist halb so süß — ein Vorteil, um Bonbons herzustellen.

Warum?

Bei normalem Zucker muss man mit extrem viel Aroma gegen die Süße ankämpfen. Das ist ein Problem bei vielen industriell gefertigten Bonbons. Ich hatte viele Leute im Laden, denen konnte ich zeigen: Bonbon geht auch anders.

Welche Rolle spielen Form und ­Konsistenz?

Die Optik ist wichtig — schöne Farben und Formen. Bei der Konsistenz habe ich mich auf harte Bonbons konzentriert. Isomalt ist härter und klebriger als Zucker. Das zu kauen, ist nicht empfehlenswert. Damit zieht man sich leichter eine Plombe als mit Zucker.

Warum gibt es kaum herzhafte ­Bonbons?

Man kann saure Bonbons machen oder scharfe, Kirsche mit Chili zum Beispiel. Aber ein pikantes Bonbon ist sehr schwierig, weil sich wenige Aromen mit der Süße vertragen. Tomate ist da eine Ausnahme.

Spielen Bonbons in der Gastronomie eine Rolle?

Das ist mir nicht bekannt. Wenn man kocht, verwendet man die Aromen direkt, und nimmt nicht den Umweg, sie erst in ein Bonbon zu bringen. Was es gibt, sind Kreationen bei Getränken: Flaschen mit Bonbons mit verschiedenen Geschmäckern werden mit klarem Alkohol aufgegossen, um eine Art Likör herzustellen. Ähnlich wie man das von Salmiak kennt.