Will für mehr Vielfalt sorgen: Holger Sticht vom Umweltverband BUND im Königsforst

»Alles brüsk abgelehnt«

BUND-Landesvorsitzender Holger Sticht über die gescheiterte »Volksinitiative Artenvielfalt NRW«

Herr Sticht, 115.000 Menschen in NRW haben die »Volksinitiative Artenvielfalt« unterschrieben. Im November hat die Landesregierung Ihre Forderungen abgelehnt. Waren Sie überrascht?

Wir haben Forderungen gestellt, die die Landesregierung nie auf ihrer Agenda hatte. Weder in Wahlprogrammen noch im Koalitionsvertrag. Deshalb war die Entscheidung nicht verwunderlich. Was uns überrascht hat, war, wie mit uns umgegangen wurde.

Inwiefern?

Man hätte denken können, die Landesregierung pickt sich einige Punkte heraus, die ihr nicht wehtun, und nimmt damit zumindest einen Teil der Volksinitiative an. Stattdessen haben CDU und FDP alles brüsk abgelehnt.

CDU und FDP haben Alternativen eingebracht.

Sie haben gesagt: Wir wollen ja auch Artenschutz, aber wir wollen einen anderen Weg gehen. Nur müssten sie diesen Weg auch aufzeigen. Das waren Worthülsen. CDU und FDP sind weder willens noch in der Lage, den Schwund der biologischen Vielfalt anzugehen. Das müssen sie aber. Es heißt immer: Es ist fünf vor zwölf. Auf uns als Gesellschaft rollt mit dem Klimawandel eine hohe Welle zu. Dahinter bäumt sich der Biodiversitätsschwund auf — eine höhere Welle, die uns noch härter treffen wird.

NRW hat als Flächenland unterschied­liche Bedarfe beim Artenschutz. Was müsste in Köln passieren?

Köln hat mit knapp 50 Prozent einen relativ hohen Anteil an Grünfläche, dämmt den Flächenverbrauch aber nicht ein. In Kreuzfeld etwa baut man auf wertvollen landwirtschaftlichen Böden eine Siedlung, ohne den Bedarf nach bezahlbarem Wohnraum abzudecken. Es ist grundsätzlich nicht nachhaltig, Flächen zu versiegeln, ohne an anderer Stelle zu entsiegeln. Köln kann es sich auch nicht leisten, wie es das Bündnis aus Grünen, CDU und Volt vereinbart hat, in den nächsten fünf Jahren nur ein neues Naturschutzgebiet einzurichten. Naturschutzgebiete sind der Hebel, um Flächen für biologische Vielfalt, Naherholung und Umweltbildung zu sichern. Und man muss vermeiden, Kaltluftschneisen und Kaltluftentstehungsgebiete zuzubauen, wie im Fall von Kreuzfeld oder Zündorf-Süd. Jeder weiß das, denkt im Konkreten aber immer noch nicht an Klimaanpassung.

Was ist mit Flächen außerhalb des Stadtgebiets?

Wir müssen die Land­wirtschaft zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung umbauen. Viele Entscheidungen fallen da auf der Bundes- und EU-Ebene. Aber wenn man auf Köln guckt, könnte die Stadt bei ihren landwirtschaftlichen Flächen dafür sorgen, dass sie erhalten und ökologisch bewirtschaftet werden. Landwirtschaftliche Fläche mit Siedlungen zu versiegeln oder mit Forstwirtschaft zu entwerten, sind die schädlichstenn Optionen.

Was erwarten Sie von der Landtagswahl im Mai mit Blick auf den Artenschutz?

Grüne und SPD haben unsere Forderungen übernommen. Man kann das für politisches Kalkül der Opposition halten, aber sie werden sich daran messen lassen müssen. Die Menschen in NRW können Alternativen wählen und darauf bauen, dass andere Parteien umsetzen, was notwendig wäre.

Eine Errungenschaft der Volksinitiative?

Wir hätten uns gewünscht, dass die jetzige Landesregierung unsere Forderungen umsetzt. Wir sind überparteilich. Uns ist egal, wer diese Aufgaben übernimmt. Ob es andere Parteien in Regierungsverantwortung besser machen, wissen wir nicht. Aber wenn man die natürlichen Lebensgrundlagen in NRW schützen möchte, sind CDU und FDP nicht wählbar. Das hat unsere Volksinitiative gezeigt.