»Das beschädigt das gesamte Projekt«: Miqua-Bauruine auf dem Rathausplatz

»Das Ding wieder abzureißen, geht gar nicht«

Der Bau des Jüdischen Museums stockt. Nun drohen alte Ressentiments wieder hochzukommen

Seit Jahren müssen die Mitarbeiter des Rathauses Umwege nehmen. Die Baustelle des »LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier«, kurz Miqua, versperrt die üblichen Eingänge zum Spanischen Bau und Historischen Rathaus. »Am Tag, bevor ich mein Büro bezogen hatte, wurden mir die Baucontainer vors Fenster gestellt«, sagt Brigitta von Bülow (Grüne), Bürgermeisterin und kulturpolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Den Verlauf der Baustelle hat sie von Beginn an mit der Kamera dokumentiert, Fotografieren ist ihr Hobby. »Mittlerweile schrecke ich etwas davor zurück«, so von Bülow.

Denn auf der Baustelle passiert nicht mehr viel. Am 27. Dezember teilte eine Stadtsprecherin mit, man habe dem Stahlbauunternehmen gekündigt, um »Schaden von der Stadt Köln und allen Steuer­zahler*innen« abzuwenden. Das Unternehmen habe mehrfach zu spät geliefert und »maßlos überzogene« Nachforderungen gestellt. Der Stahlbau jedoch spielt auf der Baustelle die entscheidende Rolle. Der unterirdische Teil des Museums, der Rundgang durch die römischen und mittelalterlichen Ausgrabungen, Synagoge und Mikwe ist größtenteils fertig. Nun geht es um den Hochbau, das eigentliche Museumsgebäude. Wird das Stahltragwerk nicht fertig, können die folgenden, bereits beauftragten Gewerke nicht arbeiten. Die Stadt muss nicht nur die Arbeiten für den Stahlbau neu ausschreiben, sondern auch befürchten, dass andere Unternehmen höhere Rechnungen stellen oder abspringen.

Die Bauarbeiten hatten sich bereits mehrfach verzögert und verteuert. Ursprünglich sollte das Museum 2019 eröffnen, zuletzt war März 2025 angedacht, auf 127 Mio. Euro waren die Kosten angestiegen. Wie sich die Kündigung des Stahlbauers in Zahlen niederschlage, könne man noch nicht sagen, so eine Sprecherin. Man kann davon ausgehen, dass es sich um Jahre handelt — mit entsprechenden Kostensteigerungen.

»Wohin es führt, wenn halb ausgeführte Gewerke neu ausgeschrieben werden müssen, haben wir bei der Opernbaustelle gesehen«, sagt Lorenz Deutsch, ­kulturpolitischer Sprecher der FDP. Deutsch befürchtet durch die Kündigung wesentlich größeren Schaden. Im Hauptausschuss beantragte seine Fraktion im Januar eine Mediation zwischen Verwaltung und Stahlbauer, um sich noch zu einigen.  »Das Unternehmen erzählt eine ganz andere Geschichte als die Stadt. Das ist ein klassischer Fall für eine Mediation.« Die anderen Fraktionen aber folgten der Verwaltung, man habe alle Möglichkeiten ausgeschöpft.

Nun fürchtet Deutsch nicht nur finanziellen Schaden. »Es beschädigt das gesamte Projekt, wenn jahrelang eine Bauruine auf dem Rathausplatz steht.« Das Projekt war lange umstritten und hatte einige Skandale zu bieten. Zunächst kündigte ein privater Förderverein an, den Museumsbau zu bezahlen, konnte das Geld dann aber nicht aufbringen. Es folgten Vorwürfe, Funde seien bewusst falsch datiert worden, der damalige Grabungsleiter Sven Schütte wurde entlassen. Plötzlich wollten manche den Rathausplatz gar nicht mehr bebaut sehen. Die Archäologische Zone genüge doch, und wenn man in die Höhe bauen müsse, dann bitte woanders. Ein Bürgerbegehren scheiterte nur aus formalen Gründen. Auch die CDU wollte das Jüdische Museum auf dem Rathausplatz nicht mehr haben. Um Kosten zu sparen, wurde der Entwurf deutlich geschrumpft, später aus Sicherheitsgründen noch umgeplant. Nun ist der Bau zwar halb fertig, doch wieder gibt es Ärger.

»Nochmal fünf oder sechs Jahre warten, geht nicht. Die Weltkulturerbe müssen endlich zugänglich gemacht werden«, sagt Ralph Elster (CDU). Man brauche unverzüglich ein Interim und eine Vorinbetriebnahme. Elster verweist auf die jährliche Baukostensteigerung von sieben Prozent, zudem müsse die Stadt später, im Betrieb, jedes Jahr fünf Prozent der Bausumme für den Gebäudeunterhalt aufbringen. Man müsse jetzt ehrlich sein. »Was kostet die Fortführung des Baus? Man muss sich genau überlegen, ob man den Weg weitergeht.« Falls nicht, könne man den Rathausplatz rasch wieder herrichten. Die Ar-chäologische Zone bliebe davon unberührt. »Unten ist alles fertig.«

Doch das Museumskonzept steht seit Jahren, das Team ist im Dienst. Die Mitarbeiter sind beim Landschaftsverband Rheinland (LVR) angestellt, der mit der Stadt kooperiert und das Museum betreiben wird. »Die Kündigung des Stahlbauers hat erhebliche Konsequenzen für unsere Arbeit«, sagt Miqua-Direktor Thomas Otten. »Für unsere dezentralen Ausstellungen werden wir uns nun weitere Standorte und Partner suchen.

Sehr wichtig sind für uns etwa das Römisch-Germanische oder das Stadtmuseum.« Otten nennt Institutionen, die selbst im Interim sind, weil ihre Gebäude saniert werden. »Es ist bitter, klar«, sagt Grünen-Politikerin Brigitta von Bülow. Sie glaubt aber nicht, dass das Museum nun wieder infrage gestellt wird. »Wir haben die Verträge mit dem LVR, mit den Architekten… Das Ding wieder abzureißen, geht gar nicht!« Man müsse das Projekt so schnell wie möglich zu einem guten Ende führen. »Es ist ein super Projekt. Einzigartig! Das darf man nicht vergessen.« Sie kann von ihrem Büro auch auf ein anderes Grundstück blicken. Dort soll der Erweiterungsbau des Wallraf-Richartz-Museums entstehen. Auch er soll 2025 fertig werden, die Planungen laufen seit zehn Jahren. Mitte Januar teilte die Verwaltung mit, dass der Termin vermutlich nicht eingehalten werden kann.