Noch nicht am Ziel: Die Kollektivistinnen Lena M, Nâsca und Leonie Savalas. Foto: DIANA

Das Bedürfnis sich zu vernetzen

Das DIANA-Kollektiv macht Musik und positioniert sich politisch-feministisch. Nicht andersrum!

Diana, das ist in der römischen My­thologie die Göttin der Jagd, des Mondes und der Geburt, sie ist die Beschützerin von Frauen und Mädchen. Wenn man sich ihres Namens annimmt, dann ist das von Bedeutung. Und wenn sich ein ganzes Kollektiv so nennt umso mehr.

Allzu hoch wollen die drei DIANA-Kollektivist*innen Nâsca, Leonie Savalas und Lena M ihre Patronin dennoch nicht hängen: »Wir haben den Namen extra ge­wählt, weil er so viele Assoziationen zulässt«, sagt Nâsca; und Leonie fügt hinzu: »Viele denken natürlich an die Göttin der Jagd, meine Meinung nach ein schönes, wildes Sym­bol für unkonforme Weiblichkeit. Wir behaupten aber auch gern, uns nach Lady Di benannt zu haben.«

Das Wir, das sich 2017 den Namen gab, bestand damals aus insgesamt acht Frauen aus der Szene Kölns und des rheinischen Umlands. Allesamt Kreative, die sich für elektronische Musik interessierten, fürs Auflegen, und das Bedürfnis empfunden haben, sich zu vernetzen, auszutauschen. Nach und nach hat sich, wie so oft, hier ein fester Kern herauskristallisiert. Während also andere Mitgrün­der*in­nen andere Wege einschlugen — ideell aber Teil geblieben sind —, ist der funktionale Kern mittlerweile ein Dreigestirn. »Mit der Zeit hat sich herausgestellt, dass wir am meisten Spaß an dem Kollektivgedanken haben und das Projekt als solches neben unseren eigenen musikalischen Interessen auch in Form von Events etc. am Laufen halten wollen«, heißt es dann fol­gerichtig aus den Reihen des aktuellen Trios ­unisono.

Generell wollen die DIANAS so häufig es geht gemeinsam sprechen, ihre Antworten sind Ergebnisse gemeinsamen Abwägens. Nur selten, wenn es um private und persönliche Motivationen geht, wechselt man vom Wir zum Ich. So zum Beispiel, wenn Nâsca, die eigentlich Paula heißt, erklärt, warum sie Teil einer Gruppe werden wollte: »An Kollektiven finde ich besonders das Zwischenmensch­liche spannend. Wie treffen wir unsere Entscheidungen? Welche Regeln braucht es, wenn mehrere Personen mitentscheiden und diskutieren? Wie lösen wir Konfliktsituationen? Das ist über die Jahre ein Lernprozess gewesen, der uns zusammengeschweißt hat.« Leonie Savalas bestätigt dies: »In Situationen, in denen wir im Nachhinein erkannt haben, dass wir vor allem deswegen gebucht wurden, weil auf dem Line-up ein paar Frauennamen gefehlt haben, konnten wir die Situation gemeinsam besser einordnen. Auch heute machen wir vor Einzel-Bookings oft einen gemeinsamen Check-up: Passt das musikalisch zu mir? Stehe ich hinter diesem Event? Stimmt die Gage? Hier ist der Austausch untereinander besonders wertvoll.«

Wenn man die Geschichte der elektronischen Tanzmusik betrachtet, scheint genau diese Bündelung der Energien die Stärke des Kollektiv-­Gedankens zu sein; auch in der Abgrenzung gegenüber den beiden anderen großen Begriffen der Neunziger-Techno-Szene: Tribe und Nation. Kollektive sind keine Zusammenschlüsse aufgrund einer Gruppenzugehörigkeit, sondern haben als Bindeglied die soziale Praxis. Bei DIANA endet die Sozietät auch nicht am DJ-Pult, sondern ragt darüber hinaus: »Wir möchten Sichtbarkeit für Künstler*innen schaffen, die in der Szene, wie sie heute aufgebaut ist, eher in den Hintergrund geraten.« Dies ist eines der Hauptaxiome des Kollektivs. Das andere die Verwurzelung in der Musik, im Auflegen und Veranstalten: »Wir möchten als Musikkollektiv wahrgenommen werden, welches sich politisch-feministisch positioniert und nicht andersherum.«

Wann sie damit angefangen haben, DJs zu sein — bei Lena M war es über Umwege die Folge eines Roadtrip mit CDs im Gepäck, Nâsca hat zu­nächst produziert, bevor das Mixen dazu kam — , zählt dabei gar nicht so viel, wie der Wille sich zu beteiligen, Strukturen und Netzwerke zu schaffen. Gefragt, was Kol­lektiv für sie bedeutet, antwortet Leonie mit einer Negation: »Es be­deutet für mich nicht, was schein­bar manchmal angenommen wird, dass wir eine DJ Girlband sind.«

Der Eindruck mag tatsächlich manchmal entstehen; immer dann, wenn Veranstal­ter*in­nen — meist aus bestem Wissen und Gewissen — die »Weiblichkeit« der DIANA-Gäste betonen. Doch für Nâsca ist das ein Problem. Sie wägt ab: »Ich finde, es hat sich was die Awareness angeht schon viel getan in den letzten Jahren. Das heißt jedoch nicht, dass wir schon am Ziel sind. Schön wäre es, wenn es sich einfach normalisieren würde, dass auch Frauen auflegen und Musik machen und es nicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit erwähnt werden müsste.«

Tokenismus, meint: dass aus Grün­den der Quote oder der Image-Aufpolierung auch mal PoCs und Frauen eingeladen werden,  ist ein stetes Ärgernis. So der Subtext einiger Antworten, die man von den Dreien bekommt. Obwohl man sich eben auf die Musik konzentriere, werde man immer mit Stempeln (»feministische Gruppe«) konfrontiert: »Das konnten wir bei allen möglichen Akteur*innen beobachten, bei solchen, die sich schon viel mit dem Thema beschäftigt haben genauso wie bei solchen, für die das eher neu ist. Das stört mich enorm, weil wir offensichtlich noch nicht an dem Punkt sind, wo Frauen, die Musik machen, einfach so für sich stehen können. Es gab in der Vergangenheit auch Booking-Anfragen, wo ­wir den Eindruck hatten, dass unsere Musik gar nicht vorher angehört wurde, was ja eigentlich die Grundvoraussetzung sein sollte.«

Das Kollektiv ist dennoch kein Selbstläufer. Schon ganz andere Projekte sind an Machtdynamiken zerbrochen; Bookinganfragen, Gagenhöhen etc. können schnell zur Hürde werden. Dessen sind sich die drei DIANA-Künstlerinnen bewusst: »Kollektivistisches Arbeiten bedarf auf jeden Fall Kompromissfähigkeit, ansonsten kann es schnell frustrierend werden. Künstlerisch gönnen wir einander alles. Neben unserer Arbeit als Kollektiv ist ein Grundprinzip von DIANA der Raum zum musikalischen Austausch und der gegenseitigen Unter­stützung, das haben wir uns bis jetzt immer sehr gut erhalten können«, heißt es da reflektiert von Leonie.

Vorbilder für diese Art des Zusammenarbeitens gibt es natürlich auch. Das Discwoman-Kollektiv aus New York gehört da genauso dazu wie minha galera aus Köln oder auch einige Gruppen, die eben nicht explizit auf non-males* ab­­zielen.

Bei allen Kollektiven stellten sich — genauso wie bei klassisch organisierten Labels und Solo-DJs — über die letzten Monate die gleichen Fragen: Wie geht man mit der weltweiten CoVid-Pandemie um? Wie vereint man künstlerische Position mit der Schließung der Clubs? Wie finanziert man sich?

»DIANA ist ein bisschen in den Winterschlaf gegangen, da unsere große Leidenschaft definitiv die Planung von Events und das Spielen im Club sind. Wir alle sind nicht hauptberuflich Kulturschaffende, und somit hat uns Corona finanziell nicht so stark getroffen wie andere. Sich in der Frustration gegenseitig zu unterstützen, hat aber während dieser Zeit in jedem Fall gut getan«, betonen sie unisono. Als es im Herbst wieder losging (wenn auch nur für einen kurzen Zeitraum), hatten sie  Sorgen, dass bestimmte Entwicklungen der letzten Jahre wieder zurückgenommen würden — dem war aber zum Glück nicht so, im Gegenteil! Man erkan­nte sogar eine weitere Verbesserung der Szene. Es standen eben nicht die immergleichen Namen auf den Line-ups, sondern auch in Köln zeigte sich eine größere Spannweite an Personen und Musikstilen in den Clubs.

Sehr zur Freude von DIANA.