Zeichen an der Wand: Cuevas Relief im Museum Ludwig , (»The Enterprise«, 2021). © die Künstlerin; Foto: rba Köln/Marc Weber

Deutsche Bank und Fledermaus

Die Mexikanerin Minerva Cuevas kapert Insignien des Kapitalismus

In der Reihe »Schultze Projects« bespielt die Künstlerin Minerva Cuevas (*1975 in Mexico City) die prominente Stirnwand im weiträumigen Treppenhaus des Museums Ludwig. Wie ein architektonisches Element oder ein Fries erstreckt sich hier über 5 mal 15  Meter ein Relief mit dem vieldeutigen Titel »The Enterprise«, zusammengesetzt aus 48 einzelnen quadratischen Tafeln. Farblich kaum von der umgebenden Wandfläche unterschieden, treten aus dem einheitlichen Weißgrund mal vollplastische, mal flache bildnerische ­Elemente hervor. Erkennbar werden die Firmenlogos einschlägig bekannter Kreditinstitute: Deutsche Bank, Mastercard, BNP Paribas, INGDiBa, Commerzbank. Teilweise ornamental angeordnet, treten sie neben exotisch anmutenden Darstellungen von Fledermaus, Schlange, Hund, Fisch und Affe sowie einer mit einem knappen Lendenschurz bekleideten Rückenfigur in Erscheinung. Dazwischen ragt eine stilisierte Kakaopflanze empor.

Die omnipräsenten Zeichen einer alles durchdringenden Ökonomie verschränken sich mit symbolischen Darstellungen aus dem Kontext präkolumbianischer Kulturen, unterschiedliche Bildsprachen und Inhalte prallen aufeinander. Während sich die Konturen der stilisierten Insignien von Kapitalismus eher schwach und schemenhaft vom Hintergrund absetzen, treten naturalistisch nachgebildete Verkörperungen indigener Gottheiten in kraftvoll körperlicher Dynamik aus der Ebene hervor. Sie sprengen geradezu die Fläche, in die sie gebannt wurden.

Dieser Ausbruch von Vitalität kann als Aufbäumen mexikanischer Identität gegen die Dominanz einer globalen Marktwirtschaft gedeutet werden. Cuevas verbildlicht allerdings keine romantische Sehnsucht nach dem Ursprung, dem  verlorenen Paradies. Ihre Hinwendung zur Vergangenheit ihres von Kolonialismus und Kapitalismus gezeichneten Landes zwischen Moderne und Tradition dient einer zukunftsgerichteten Deutung der Geschichte, die zugleich den Weg politischen Widerstands aufzeigt. Ganz im Sinne der Muralistas, deren monumentale Wandgemälde in den 1920er Jahren nationale, sozialkritische und historische Inhalte verarbeiteten, um die analphabetische Bevölkerung Mexikos aufzuklären und politisch zu bilden.

Cuevas Verwendung des Titels »Enterprise« enthält eine subversive Aussagekraft. Lesen lässt er sich als aktionistischer Aufruf zur »Unternehmung«, mit der sich die Macht des Volkes gegen die Übermacht internationaler Konzerne und Unternehmen entfaltet.

Museum Ludwig, Di–So 10–18 Uhr, jeden 1. Do im Monat bis 22 Uhr