Digitales Erzählen mit Legosteinen

Frédéric Dubois und Lena Thiele von der Internationalen Filmschule Köln über ihr Fach Digital Narratives

Was erwartet Studierende des Masterstudiengangs Digital Narratives?

Frédéric Dubois: Wir arbeiten mit bis zu 15 Studierenden handwerklich an verschiedenen Formen von Narrativen — vom interaktiven Film, der per Hypervideo erzählt wird,  bis zu fragmentarischen Formen wie Virtual-Reality-Erlebnissen, die man selbst erkunden muss. Oder an einer Erzählung, die viel mit Ton arbeitet, wie Podcasts. Außerdem geht es um die großen Themen: Was sind aktuelle Trends? Wie verändert sich Technologie und wie verändern neue Technologien die Gesellschaft? Wie versuchen, die soziale Relevanz des Digitalen zu verstehen. Haben VR und immersives Erzählen auch Tücken? Was ist mit dem Datenschutz?

Lena Thiele: Den Studiengang gibt es seit 2016, hervorgegangen aus einer berufsbegleitenden Weiter­bildung an der ifs. Wir haben Studierende aus verschiedenen Län­dern mit sehr unterschiedlichen professionellen Hintergründen, so dass interkultu­relles Arbeiten sehr wichtig ist.

Wo verläuft die Grenzlinie zwischen Ihren beiden Bereichen Theory und Art & Design — und wo liegen die Schnittmengen?

Thiele: Es ist ein Programm, aber mit unterschiedlichen Modulen. Frédéric und ich möchten beide Bereiche stark vernetzen.

Dubois: Wir arbeiten projektbezogen und versuchen professionelles Handwerk so zu vermitteln, dass die Studierenden nach zwei Jahren rausgehen und digitale Narrative entwickeln und umsetzen. Aber es ist eben nicht nur ein marktorientiertes Studium, weil wir die verschiedenen digitalen Entwicklungen auch hinterfragen.

Thiele: Der Markt, für den wir ausbilden, ist ständiger Veränderung unterworfen. Man geht hier nicht raus und ist dann dies oder jenes mit einem fertigen Berufsbild. Wir bereiten junge Menschen darauf vor, den Markt mitzugestalten, sei es kreativ als Autor*in immersiver narrativer Formate, oder wissenschaftlich als PhD.

Wie sieht die kritische Auseinandersetzung mit digitalen Entwicklungen konkret aus?

Dubois: Es ist die Aufgabe jeder Hochschule, zu fragen: Wie ist diese Technologie zustande gekommen? Warum erzählt man auf diese oder jene Art? Wir fragen uns bei Digital Narratives permanent, welche Geschichte man erzählen und wen man erreichen möchte. Daraus ergibt sich das Format, für das man sich entscheidet.

Inwieweit verändert das Digitale das Erzählen?

Thiele: Wir erleben im Digitalen eine massive Veränderung der Kommunikationsformen. Das ist das Potenzial, das wir nutzen und auch mitgestalten wollen. Ich würde aber nicht sagen, dass das klassische lineare Geschichtenerzählen damit stirbt, diese Befürchtung gibt es ja immer wieder.

Findet das Studium in einer rein digitalen Sphäre statt oder wird auch mit analogen Mitteln unterrichtet?

Thiele: Ich arbeite im kreativen Bereich viel mit analogen Tools bis hin zu Legosteinen, um etwa eine Dramaturgie aufzustellen. Oder wir arbeiten mit haptischen Interfaces, bauen kleine Roboter, um überhaupt erst mal die Mensch-Maschine-Schnittstelle zu erleben.

In welchen Berufen landen Ihre Absolvent*innen?

Thiele: Gerade geht die dritte Kohorte in ihre Master-Phase. Danach eröffnet sich ein sehr breites Feld. Manche gehen in den UX-Bereich gehen — User Experience beziehungsweise Nutzererlebnis. Wir haben Autor*innen, die sich im Bereich Digital Narratives positionieren bis hin zu Theater und Performance im immersiven Bereich — also die Integration von digitalen Medien in Theatererlebnisse.

Gibt es ein Epizentrum der Digital Narratives, vergleichbar mit Hollywoods Bedeutung fürs Kino?

Thiele: Entwicklungen sind immer stark an Finanzierungen gekoppelt. In Kanada wird viel aufgebaut und unterstützt, da kommen zur Zeit industriegetrieben viele Impulse her.

Dubois: Um das National Film Board of Canada herum ist viel entstanden in den letzten zehn Jahren. Das ist von der Tendenz her eher öffentlich-rechtlich, während die Entwicklung in den USA kommerziell ausgerichtet ist. Es gibt aber auch Antreiber wie South By Southwest in Austin, Texas, eine wichtige jährliche Veranstaltung für interaktive Medien. Die Biennale in Venedig ist wichtig, Arte in Frankreich hat einiges angeschoben, auch aus Belgien und den Niederlanden kommen Impulse. Insgesamt ist das Ganze aber dezentral, so etwas wie ein Hollywood der Digital Narratives gibt es nicht.

Wenn die technologischen Entwicklungen immer schneller werden, was garantiert den Studierenden, dass nach vier Semestern nicht obsolet ist, was sie im ersten gelernt haben?

Dubois: Es ist nicht obsolet, weil wir eben nicht sagen: »Das da ist der letzte Schrei und da müsst Ihr un­bedingt hin!« Wir entwickeln Methoden und Reflexe, um Medien­­­­in­nova­tionen zu gestalten und zu reflektieren. Es geht darum, die Medienlandschaft zu lesen und zu kontextualisieren, um sich dann unaufgeregt positionieren zu können.

Die aktuelle Bewerbungsphase für den Studiengang läuft bis zum 1.3., filmschule.de/ma-digitalnarratives