Eine »europäische Selbstbestätigungsfabel«: Von Wegen und Abwegen der Demokratie, Foto: Laura Thomas

Ein Richtfest der Demokratie

Das Theater im Bauturm zeigt »Die Orestie«, das Programmheft liefert vorab Inspiration

Der trojanische Krieg ist beendet, ehrreich kehrt der Feldherr Agamemnon zurück. Doch vergessen ist nicht das Opfer, das er einst brachte, damit die Götter ihm den nötigen Wind zum Aufbruch der Schiffe sendeten: seine Tochter Iphigenie starb — und nach seiner Heimkehr stirbt nun auch er, ermor­det von der Hand seiner Gattin Klytämnestra. Doch da ist noch ein Sohn, Orest, der Rache schwört und kommt, um seine Mutter zu meucheln. Durch eine List verschafft er sich ihr Vertrauen, und sühnt den Mord am Vater mit ihrem Blut. Die »Orestie« ist ein Thriller, zumindest ihre ersten beiden Teile. In der einzig komplett erhaltenen Tetralogie der antiken Bühnekünst führt der Dichter Aichylos eine heillos zerstrittene Familiendynastie vor, die sich durch eine Verkettung von Rachemorden selbst auslöscht.

Im Theater im Bauturm hat sich Regisseurin Kathrin Mayr den Stoff, diese »europäische Selbstbestätigungsfabel«, wie es im Programmheft heißt, vorgenommen. Denn der grundlegende Erzählbogen, den »Die Orestie« spannt, reicht im dritten und letzten Teil bis zum politischen Drama. Die Bühne gehört nun den Göttern. Die demokratische Entscheidung im Gerichtsprozess wird als neues Mittel zur Regulierung von Schuld und Unschuld entgegengesetzt. »Was schön und recht ist, das soll siegen, ohne einen bitteren Rest«, heißt es da, aber stimmt das auch?

Mit dem Stück war das Theater für den Kölner Tanz- und Theaterpreis 2021 nominiert. Ein umfassendes virtuelles Programmheft bietet Gelegenheit, sich gedanklich inspieren zu lassen. Dort referiert der frühere Innenminister Gerhard Baum (FDP) über Ängste, die die Demo­kratie zersetzen, der Politikwissenschaftler Leonard Novy merkt an, dass ungleiche Ressourcenverteilung auch dazu führt, dass nicht jeder Mensch gleichermaßen politisch für sich eintreten kann, und Katrin Benedict, Richterin am Amtgericht, gibt zu Bedenken, dass »demokratisch« nicht immer »weise« bedeutet. Am Ende bleibt ein Text von Bauturm-Dramaturg Renè Michaelsen, in dem er darüber nachdenkt, dass mit dem Gericht der Götter zwar der Endlosspirale von Morden ein Ende gesetzt wurde, das Verfahren jedoch »voll von Winkelzügen und Parteinahmen« sei. Spannend wird es sein, all diese zusammengetragenen Recherchen auf der Bühne inszeniert zu sehen.

Theater im Bauturm, 14.–16.2., 20 Uhr