Gesicherte Brauchtumszone

Der Kampf gegen Rechts und der Kampf gegen die Pandemie sind nicht identisch

Für vernunftbegabte Menschen gibt es keinen Grund, bei den Demonstrationen mitzugehen, auf denen Woche für Woche in Köln gegen die Corona-Maßnahmen protestiert wird. Wer dort mitläuft, um für »Grundrechte« einzutreten, tut dies gemeinsam mit Feinden ebendieser. Bianca P. von »Köln ist aktiv«, die seit Mai 2020 die Corona-Proteste in Köln organisiert, hat auf diesen Demos die Impfung als »Genozid« bezeichnet und sie mit den Menschenversuchen in den nationalsozialistischen KZs gleichgesetzt. Bei diesem Grad an Geschichtsrevisionismus ist es nicht überraschend, dass sich die gesamte politische Rechte dort gerne einfindet: von Aktivist*­innen aus Kölner Neonazi-Gruppen bis zu Abgeordnet*­innen der AfD aus Stadt, Land und Bund.

Es ist daher gut, dass viele Mitglieder der Kölner Stadtgesellschaft einen Aufruf des Bündnisses »Köln stellt sich quer« unterzeichnet haben, der sich gegen diese »Spaziergänge« wendet und sich für Wissenschaft, Fakten und ein »solidarisches Miteinander« einsetzt, um die Pandemie zu bekämpfen. Abseits dessen wirft der Aufruf jedoch Fragen auf. Denn die eigentlichen Adressat*innen sind die Unterzeichnenden selbst.

Obwohl auf den Corona-Demos regelmäßig gegen Abstands- und Maskengebote verstoßen wird, sind die wöchentlichen Spaziergänge von vielleicht 2000 Verblendeten für das Pandemiegeschehen in Köln irrelevant. Mitte Februar gab es in Köln täglich rund 2000 Neuinfektionen, und die Inzidenz war bei Kindern und Jugendlichen im schulpflichtigen Alter am höchsten. Für die pandemiegerechte Ausstattung der Schulen etwa mit Luftfiltern ist die Kölner Stadtverwaltung verantwortlich, deren Chefin OB Henriette Reker den Aufruf unterzeichnet hat. Gleiches gilt für die Arbeitsbedingungen an den städtischen Kliniken, die laut dem ­Aufruf ebenfalls verbessert werden sollen. Nach dem Willen des Ratsbündnisses aus Grünen, CDU und Volt (alle ebenfalls unter den Unterzeichnenden) sollen diese jedoch mit der Uniklinik fusionieren, weshalb Beschäftigte und Opposition Stellenabbau und eine Verschlechterung der dortigen Arbeitsbedingungen befürchten.

Der Aufruf ist damit leider ein Beitrag zum Protest in der gesicherten Brauchtumszone: »Mer stonn zesamme« — und zwar zu so ­vielen, dass niemand übrig ist, der uns auf die eigenen Fehler ­hinweisen könnte.