Nicht mehr ganz amerikanisch und auf kein Fall deutsch: Swan Meat

»Ich sehe jetzt das sogenannte Licht am Ende des Tunnels«

Die Kölner US-Amerikanerin Swan Meat über Pandemiemusik — und Pandemiegefühle

Zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Beitrags befindet sich Reba Fay aka Swan Meat erstmals wieder in ihrer alten Heimatstadt Washington, D.C. — nach Pandemie-bedingter langer Abwesenheit. Es ist eine Heimkehr mit neuen Gefühlen, denn »obwohl ich eine Bürgerin der USA bin, fühle ich mich wie eine Besucherin«, kommentiert sie und fügt hinzu: »Köln ist nun mein richtiges Zuhause.«

Das war nicht immer so. Als Fay 2017 der Liebe wegen nach Köln gekommen ist — ihr Partner ist der Kölner Produzent Philip Müller aka DJH (damals noch DJ Heroin), mit dem sie gemeinsam das Projekt House of Suns unterhält — sei sie  »total überfordert« gewesen, gesteht sie ein: »Ich war Anfang zwanzig und musste mich zwingen, schnell erwachsen zu werden.«

Obwohl als Musikerin unter dem Signet Swan Meats zu diesem Zeitpunkt bereits etabliert und weltweit gebucht, scheiterte das lokale Andocken an den mangelnden Möglichkeiten, sich mit ihrem Umfeld so auszutauschen, wie sie es in den USA gewohnt war. Anders als viele englisch-sprachige Expats in Deutschland konfrontierte Fay diesen Missstand umgehend mit engagierten Deutschstunden. »Ich habe jeden Tag nach dem Frühstück erstmal zwei bis drei Stunden gelernt, bevor ich zur Arbeit gegangen bin«, führt sie aus. »Sobald ich mich unterhalten konnte, war ich in der Lage, neue Freund:innen zu finden und die Stadt wirklich kennenlernen.«

Aufgrund der Pandemie hat auch Reba Fay die Stadt zuletzt kaum verlassen. Es wundert wenig, dass eine Künstler:in, die ansonsten um die halbe Welt fliegt, diesen Zustand des Zwangsaufenthaltes als  »Achterbahnfahrt« beschreibt. »Im März 2020, (was sich wie gestern anfühlt, aber auch so lange her ist) hatte ich die Idee, dass ich meine Finger bis auf die Knochen runter arbeiten lasse und wie eine Verrückte Tracks produzieren würde. Das tat ich dann auch. Danach kam ein langer Anfall von Depressionen; verursacht von dem schweren, grauen Gefühl, dass die Pandemie ewig dauern würde.«

Für Fay ist das Produzieren elementar mit den Live-Performances verbunden, da im Austausch mit der Menge erst die »transzendenten Erfahrungen« möglich sind, die sie mit ihrer Musik sucht. Sie sei sich des Pessimismus ihrer Aussagen bewusst — gleichzeitig sind die Tracks, die in den letzten zwei Jahren entstanden sind von »überschwänglichen« und »erhebenden« Gestus. Das überrascht Fay sogar selbst, deshalb ist sie zumindest momentan recht guter Dinge: »Ich sehe jetzt das sogenannte Licht am Ende des Tunnels und freue mich sehr darauf, diese neue Musik mit der Welt zu teilen.«

Ihre Musik ist geprägt von wuchtigen Bässen, Tonartwechseln und eingängigen Melodien. Tracks wie die zuletzt erschienenen Singles »SLUDGE« und »Psychopath« sind schnell, sprunghaft, verspielt, brutal und catchy. Zu kitschig kann es für sie nicht sein: »Natürlich gibt es Sounds, die überstrapaziert sind: die Geräusche von zerbrochenem Glas, das Lufthorn, bestimmte Sample-Packs,die ich alle verwendet habe! Aber wenn das Gefühl stimmt, werde ich alles von Katzenmiauen über Kuhglocken bis hin zu Slap-Bass-Sampling verwenden.«

Wenn die Clubs wieder aufmachen dürfen, möchte sie eine eigene Clubnacht etablieren und so die Bekanntheit ihres Swan-Meat-Imprints nutzen, um andere Kölner Musiker:innen zu unterstützen. Jene, »die nicht die Wahrnehmung bekommen, die sie verdienen«, die sich nicht markant zu Wort melden und vernetzen können. »Es gibt wirklich unglaublich tolle lokale DJs und Produzenten — insbesondere Frauen und PoC —, die übersehen werden, da immer dieselben Typen in denselben Clubs spielen. Das nervt!«

Deswegen hat Reba Fay sich angewöhnt, ihre Schüchternheit zu ignorieren. »Die Pandemie hat mich gelehrt, dass man auf andere zugehen muss«, sagt sie — vorher habe sie eigentlich immer nur mit ihrem Partner Philip Müller und dem Beat-Produzenten Emil Kaiser (Shinju) rumgehangen. Diese Offenheit sei nötig, da »die Kölner Musikszene dicht und klein ist. Es scheint als ob alles davon abhängt, wen du kennst.«

Welches Bild sie denn nun von Köln habe, wollen wir zum Ende des Interviews wissen. »Ich befinde mich in einem Grenzzustand der Staatsbürgerschaft: nicht mehr ganz amerikanisch und auf kein Fall deutsch«, holt Reba Fay aus. »Daher ist mein Bild von der Stadt ganz persönlich. Was für mich Köln ist, das sind die Bestandteile meines Alltags: Morgenkaffee im Backwerk (lol), Laufen um den Aachener Weiher, Fatality-Shot trinken in der [Gaming- und eSports-Bar, Anm. d. Aut.] Meltdown…«

Tonträger: Swan Meat:  »SLUDGE« / »Psychopath« (Bandcamp)