Oscar Isaac und das Glück: Zufall oder nicht?

The Card Counter

Paul Schrader folgt den Spuren eines einsamen Zockers bis zum blutigen Showdown

Wer schon Filme kennt, bei denen Paul Schrader Regie geführt hat oder die zumindest auf einem seiner Drehbücher basieren, wird den Protagonisten von »The Card Counter« als alten Bekannten betrachten. In Gestalt von William (Oscar Isaac) begegnet uns einmal mehr ein ›einsamer Wolf‹, der schwer verkorkst ist und davon — bis zum unvermeidlich blutigen Schluss — in Tagebucheinträgen Rechenschaft ablegt. Dabei erinnern Einzelheiten der Konstellation an »First Reformed«, den tiefernsten letzten Film des 75-Jährigen, wie auch an sein frühes Drehbuch zu »Taxi Driver«. Vor allem die Anklänge an »Light Sleeper« gehen indes so weit, dass sogar Liedzeilen, die vor 30 Jahren in dem stimmungsvollen Stück Neo-Noir erklangen, als Tattoo auf Williams Haut wiederkehren. Noch mehr als in jenen illustren Referenzwerken spiegelt die Form hier allerdings den Inhalt, weshalb auch der politische Hintergrund besondere Schärfe gewinnt.

William ist ein professioneller Kartenspieler, der seine Einsätze nüchtern den Gewinnchancen anpasst, die sich, wie er früh in einem Off-Kommentar erklärt, beim Blackjack genau kalkulieren lassen. Umso mehr weiß der um Unauffälligkeit bemühte Zocker die Schönheit des Zufalls zu schätzen, wenn beim Poker die letzte Karte jede Wahrscheinlichkeitsrechnung über den Haufen wirft. Dazu passt, dass Schraders Drehbuch sich zwar eines Minimums an solider dramaturgischer Schlüssigkeit bedient, aber alle wichtigen Wendungen auf unverblümten Zufallsbegegnungen der Hauptfigur aufbaut: mit der Spieleragentin La Linda (Tiffany Haddish), die Zockern Investorengelder vermittelt; mit dem korrupten Sicherheitsdienstleister Gordo (Willem Dafoe); und mit dem jungen Tunichtgut Cirk (Tye Sheridan), dessen Vater mit William im Irakkrieg diente — was diesem schließlich eine Haftstrafe eintrug.

Gleich zu Beginn wundert sich William darüber, wie gut er sich ans Gefängnisleben anpassen konnte. Dann wird bald klar, dass er die ruhige Monotonie der Haft in seinen aktuellen Alltag überträgt, der ihn von einem Mittelklasse-Casino zum anderen führt: Um das Grau-in-Grau seiner Zelle zu reproduzieren, verwandelt er anonyme Motelzimmer in Paraphrasen von Christos Verhüllungskunst. Dem Kameramann Alexander Dynan gelingt indes das Kunststück, dem Casinotrubel seinen grellen Glanz auszutreiben — was schließlich alles wunderbar logisch wirkt, wenn William in einem kurzen, aber umso eindrücklicheren Monolog seinen Horror-Einsatz in Abu Ghraib als eine Kaskade unerbittlicher Reizüberflutung beschreibt.

USA 2021, R: Paul Schrader, D: Oscar Isaac, Tiffany Haddish, Tye Sheridan, 112 Min., Start: 3.3.