Spielplan-Änderung!

Was passiert, wenn Vorstellung trotz Corona nicht abgesagt werden?

Ende Januar in der Staatsoper Berlin: »Ariadne auf Naxos« von Richard Strauss wird gezeigt, eine Oper über die Banalisierung der Kunst, über das Loslassen und den Zwang zur Improvisation. Zu Beginn tritt Operndirektor Tobias Hasan ins Proszenium, um eine, wie er sagt, ungewöhnliche Mitteilung zu machen. Was folgt, ist ein »Rausch von Namen«, denn nahezu alle Rollen an diesem Abend müssen wegen Corona-Infektionen umbesetzt werden. Am Ende der Aufzählung folgt sogar noch der Dirigent. In der Süddeutschen beschreibt Journalistin Renate Meinhof den Abend ausgesprochen lustig und kommentiert mit Loriot: »Können Geiger eigentlich nur geigen und Trompeter nur blasen? Ist das nicht sehr eintönig?«

Auch hier stünde eigentlich ein anderer Text, über ein Stück, das angekündigt war und dann doch nicht stattfand. Auf der Bühne hätte nur eine einzige Person gestanden, wegen Corona musste die Vorstellung abgesagt werden. Seit Monaten herrscht in den Betriebsbüros der Theaterhäuser Ausnahmezustand. Dass Theater Pressemitteilungen versenden, weil etwa Premieren ausfallen und dann auch die Nachholtermine über Wochen nicht stattfinden können, hat es so zuvor noch nicht gegeben. Statt des angekündigten Stückes wird ein anderes aus dem Repertoire gekramt, statt einem Theaterabend wird bei freiem Eintritt spontan aus einem Roman gelesen oder Schauspieler*innen springen kurzfristig ein, um eine Vorstellung doch noch zu retten. Kurz vor Weihnachten etwa war die Schauspielerin Linda Pöppel am Deutschen Theater in Berlin bei einer Kohlhaas-Aufführung eingesprungen: Anhand von Video-Aufzeichnungen hatte sie sich in der Nacht zuvor in das Stück eingearbeitet. Auf der Bühne stand sie dann mit Textbuch.

Ein Zustand, der für Theaterschaffende harte Arbeit bedeutet, kann für das Publikum durchaus erhellend sein: Wann hat man schon einmal die Möglichkeit zu beobachten, wie sich auf der Bühne selbst die Figur entfaltet, die der Schauspieler sich in letzter Sekunde noch zu eigen gemacht hat? Wie die Souffleuse auf der Bühne umher wandelt, um den Text vorzusagen und der Schauspieler sie mit inszenatorischer Finesse wiederholt? Das ist besonders — und wird hoffentlich ein einzigartiges Erlebnis bleiben.