Schreiben gegen die Identitätskrise: Yannic Han Biao Federer, Foto: Heike Steinweg

Das Leben als Gepäckabfertigung

Yannic Han Biao Federer schickt »Tao« auf die Suche nach seiner Geschichte

Es kann sich nicht um einen Zufall handeln, dass Tobi, der eigentlich Tao heißt, stets mit seinen Habseligkeiten im Kampf zu stehen scheint. Mal geht eine Lampe beim Umzug nach Köln-Kalk kaputt, wann anders wird ihm in Marseille das Auto mitsamt Gepäck geraubt und dann vergisst er einen Koffer im Hotel an der Rezeption. Man muss sich nicht groß der Esoterik verschrieben haben, um hinter dem wiederkehrenden Motiv eine Message zu erkennen: Da hat jemand Probleme mit seinem »baggage«, wie man im Englischen sagt, dem »emotionalen Rucksack«.

Immer wieder kämpft Tobi mit seinem Gepäck, ob er möchte oder nicht. Ständig, so scheint es, muss er sich Anziehsachen bis hin zur Unterhose besorgen, im Zweifel sogar leihen. Und obwohl diese Episode nur eine Fußnote in »Tao«, dem neuen Roman des Kölner Autors Yannic Han Biao Federer darstellt, gibt sie das Motiv für die Geschichte vor.

Denn Tobi hat einige psychische Baustellen. Da ist die gerade gescheiterte Beziehung zu Miriam, der Tod des Vaters, der schon Jahre zurückliegt, aber nicht überwunden wurde und die Geschichte des asiatischen Teils seiner Familie. Und zu guter Letzt kämpft er mit seiner eigenen Jugend in der südbadischen Provinz, in der man einen wie ihn auch mal »Schlitzi« genannt hat.

Dort, im Breisgau, irgendwo zwischen Norsingen, Pfaffenweiler und Wettelbrunn, lernt Tobi schon zu Schulzeiten Miriam kennen, zusammen kommen sie aber erst, als sie sich zufällig in Freiburg an der Uni wiedersehen. Miriam ist auch die Einzige, die ihn »Tao«, also bei seinem richtigen, asiatischen Namen nennt. Auch sie kennt sich aus mit emotionalem Gepäck. Kein Wunder, dass das Ende der Beziehung in eine Identitätskrise führt, die vergessene Wunden wieder aufreißt.

Was auf den ersten Blick zu einer — schlimmstenfalls autobiografisch gelesenen — Nabelschau anhebt, ist letztlich ein geschickt gebauter Roman des Kölner Autors, der die vielen Reisebewegungen und Orte jongliert, die zeitlichen Abläufe der Vergangenheit und Gegenwart verschränkt, Banales und Bedeutendes nebeneinanderstellt. Geflissentlich robust formuliert Federer die Gedanken seines Protagonisten, und lässt ihn durch einige Peinlichkeiten gehen. Das alles geschieht vor einem realistischen Hintergrund, der dem Roman aber ob seiner behände gesetzten Motive und launischen Struktur nicht die Luft raubt. Nein, das literarische Gepäck ist in »Tao« gut verschnürt und verstaut.

Yannic Han Biao Federer: »Tao«, Suhrkamp, 190 Seiten, 23 Euro