»Hommage à Morton Feldman«, 120 (103) Tafeln, 1988, Kolumba Raum 7, Foto: Lothar Schnepf

Gebrochene Symmetrien

Paul Heimbachs ­»Hommage à Morton Feldman«

Ein Kokon — das ist der Eindruck, wenn man Raum 7 des Kolumba Museums betritt. Denn die Wände sind fast vollständig bedeckt von 103 (von ursprünglich 120) Tafeln des Kölner Künstlers Paul Heimbach (1946–2013), auf denen jeweils zwölf Reihen von viereckigen Kästchen einen sacht pulsierenden Farb­rhythmus ergeben. Die Farben der Kästchen sind dezent gesetzt, ihre Kontraste häufig nur schwach. Dass die Abfolge der Kästchen rhythmisch ist, springt sofort ins Auge, aber die Regel, der dieser Rhythmus folgt, erschließt sich einem nicht, zumindest nicht spontan.

Diese 1988 entstandenen Tafeln wirken wie ein gigantischer Wandteppich, der uns einhüllt, aber uns nicht erstickt. Die Reihen, die Heimbach uns hier vorführt, scheinen nicht »sauber« zu sein, kommen uns ungerade und gebrochen, spontan und ungezwungen vor. Inspiriert hat ihn zu dieser Arbeit der amerikanische Komponist Morton Feldman (1926–1987).

Feldman, Kind jüdisch-ukrainischer Einwanderer, liebte orientalische Teppichknüpfkunst, ihn faszinierten vor allem Brüche und Abweichungen im Webmuster. Durch sie gewann das Artefakt an Tiefe: Die Teppiche sind Handwerkskunst, kein Ausstoß steriler Fließbandproduktion. Feldman übertrug die gebrochenen Symmetrien auf seine Kompositionen, oder besser: Er fand darin für seine sehr behutsame, sich bloß über minimale Kontraste hinfort bewegende Musik eine verbindliche Form. Und Heimbach findet für diese Klänge Farben, findet für Feldmans Permutationen eine Ordnung dieser Farben, die wiederum auf die Muster von Wandteppichen verweist.  

Hier offenbart sich ein Missverständnis: Heimbachs Tafeln sind straff durchkomponiert, alles hat er sich klar vorgegeben, die drei Grundfarben, ihre Mischungsverhältnisse, die Stärke des Kontrastes der Farbkästchen. Er arbeitet seriell, entwirft eine, ja: zarte, aber vor allem strenge Ordnung. Feldman hat aber nie so komponiert, seine Musik ist ein schier endloser Einspruch gegen alle Ableitungsmagie. Er hat intuitiv komponiert, ihn hat das Abweichende, das augenzwinkernde Brechen einer Regel umgetrieben, das Lässige. Hat Heimbach Feldman verfehlt? Durchaus. Aber Feldman wollte nie Gefolgschaft, und dass er Heimbach zu diesem so stillen wie großen Werk angestiftet hat, hätte ihm wohl gefallen.

»In die Weite — Aspekte jüdischen Lebens in Deutschland«, Kolumba, tägl. außer Di 12–17 Uhr, bis 15.8.
In der Reihe »Kolumba: Lieblingsding« schreiben unsere Kunstkritiker*innen jeweils über ein ­Exponat der Jahresausstellung, das sie besonders fasziniert.