Erstmal abreißen, dann sieht man weiter: Karstadt-Gebäude in der City

Schock in der City

Der Eigentümer will das Karstadt-Gebäude an der Breite Straße abreißen. Lokal­politiker streiten nun darüber, wie viel Einfluss sie beim Neubau nehmen sollen

Nach der Zukunft der Innenstädte wird derzeit oft gefragt. Auch die Kölner diskutierten zuletzt intensiver über ihre City. Offenbar gibt es Handlungs­bedarf. Baudezernent Markus Greitemann lud schon im vorigen September ein, über die Entwicklung eines Leitbildes für Schildergasse und Hohe Straße zu diskutieren.

Zu diesem Zeitpunkt wussten seine Mitarbeiter bereits seit drei Monaten, dass einer bedeutenden Einzelhandelsimmobilie in der Breite Straße ein folgenschwerer Einschnitt bevorsteht. Mitte Februar wurden die Pläne schließlich öffentlich und lösten prompt ­einen Schock aus: Das Karstadt-Gebäude an der Breite Straße soll abgerissen und neu errichtet werden. Niemand hatte bis dahin die rund 250 Angestellten informiert. Das Kaufhaus ist selbst nur Mieter. Dessen Führung, so berichtete es der Betriebsrat im Zeitungsinterview, habe versichert, ebenfalls nicht eingeweiht gewesen zu sein. Es gebe einen langfristigen Mietvertrag, von dem der Konzern nicht zurücktreten wolle. Der ­Vorstoß des Eigentümers wirft deshalb Fragen auf.

Niemand hatte die ­Mitarbeiter und Geschäftsführung von Karstadt über den geplanten Abriss unterrichtet

Bekannt ist, dass die Zukunft der großen Kaufhäuser ungewiss ist. 2020 geriet der Mutterkonzern Galeria Kaufhof Karstadt ins Taumeln. Knapp 50 der bundesweit 170 Filialen wurden geschlossen. Die Karstadt-Filiale an der Breite Straße sollte als »regionaler Magnet« erhalten bleiben. Das Gebäude gehört seit Anfang 2020 dem Unternehmen »Aroundtown SA«, laut Eigenaussage spezialisiert auf Gewerbeimmobilien. Die Pläne für das 3000 Quadratmeter große Grundstück gegenüber dem DuMont-Carré sind noch vage. Die denkmalgeschützte Fassade soll in den Neubau integriert werden, eine Tiefgarage das Parkdeck ersetzen. Hinzu kommen Büros, ein Hotel, eine Einkaufspassage: Der Investor zielt auf höhere Einnahmen. In seiner Vorstellung gibt es angeblich die Möglichkeit, auch das Warenhaus zu integrieren. Das wäre mit der Frage nach einem Ausweichquartier verbunden, wie der Betriebsrat mit offener Verwunderung bemerkt. Ob auch Wohnungen vorgesehen sind, ist unklar.

Bezirksbürgermeister Andreas Hupke (Grüne) berichtet, dies habe der Investor »kategorisch ausgeschlossen«. Wie so oft stellt sich die in Köln heikle Frage, wie viel Einfluss die Politik nehmen möchte. Soll sie über die künftige Nutzung und Gestaltung des Blocks lediglich mittels Vertreter in einer Wettbewerbsjury mitentscheiden und Baudezernat und Investor den Rest überlassen? Oder muss der Investor in einem langwierigen Verfahren mit Beteiligung der Öffentlichkeit eine Mehrheit des Rates überzeugen? Die SPD sprach sich für letzteres aus und beantragte, einen Bebauungsplan aufzustellen. Ihr Vorschlag: ein »kleinteiliges, gemischt genutztes Quartier mit Wohnen und Gewerbe« als Ziel.

Parallel soll die Stadt mit dem Investor einen städtebaulichen Vertrag verhandeln, der oft ergänzende Vereinbarungen enthält. Die SPD fordert eine breite Bürgerbeteiligung, öffentliche Fußwege durch das Quartier, geförderten Wohnungsbau, Einzelhandel sowie soziale Nutzungen. Erst nach einer Einigung soll ein Bebauungsplan beschlossen werden. Die Stadtverwaltung und das Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt sehen keine Dringlichkeit. Baudezernent Greitemann erklärte zwar den Verbleib von Karstadt zur »obersten Priorität«, ebenso die Grünenfraktion. Aber: »Es gibt aktuell keine Notwendigkeit, über die Aufstellung eines Bebauungs­plans zu entscheiden«, teilt ihr Fraktionsgeschäftsführer Lino Hammer mit. Die Pläne seien noch zu unkonkret, heißt es aus dem Rathaus. Der Antrag der SPD wurde vertagt.

Offenbar geht man davon aus, dass der langfristige Mietvertrag zunächst einen gewissen Schutz bietet. Mieter und Eigentümer können ihn gleich­wohl vorzeitig auflösen, ein finanzieller Ausgleich für den Kauf­haus­konzern vorausgesetzt. Ohne Bebauungs­plan hätte der Eigen­tümer dann Anspruch auf eine Genehmigung für Abriss und Bau­antrag, sofern er alle gesetz­lichen Vorgaben ­erfüllt. Dass das Bau­dezernat in einem solchen Fall schnell reagieren kann, war beim fast doppelt so großen Laurenz-Carré zu beobachten. Dort hatte ein anderer ­Immobilienentwickler 2019 den Abbruch beantragt, um Fakten zu schaffen, bevor die Rahmenbedingungen für das Vorzeige-Projekt neben dem Dom vereinbart waren. Der Rat beschloss umgehend eine Veränderungssperre. Und ­leitete anschließend ein Bebauungsplanverfahren ein.