Auf dem Friedhof zuhause: Eichhörnchen mögen die Ruhe — und die vielen Wasserstellen, Foto: © Pexels, Ellen de Ruiter

Oben Leben, unten Tod

Friedhöfe werden für Artenvielfalt und Klima in Städten immer bedeutender. In Köln wird das ökologische Potenzial der Gedenkstätten zunehmend besser genutzt

Der Friedhof ist für Jana Romero ein Arbeitsplatz. Dort erreicht man die Mitarbeiterin vom Nabu Stadtverband Köln denn auch Mitte März. »Wir haben gerade auf Melaten eine Vogelschutzhecke gepflanzt«, erzählt Romero am ­Telefon. An den ersten warmen Tagen des Jahres erwacht die ­Natur auf Kölns ältestem Friedhof. Es kehrt Leben ein, wo der Tod ­zuhause ist.

»Friedhöfe waren schon immer wichtig für die Natur in Städten. Aber sie werden in Zeiten des Klimawandels eben immer wichtiger«, sagt Romero. In Köln ver­teilen sich 55 kommunale Friedhöfe auf fast 500 Hektar über das gesamte Stadtgebiet. In zunehmend verdichteten Städten sind sie nicht mehr bloß Gedenkorte. Friedhöfe bieten Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Außerdem helfen Friedhöfe bei der Klimaanpassung. Sie bieten Sickerflächen, regulieren das Mikroklima und werden damit auch zu Orten, an denen sich Menschen erholen und Naturerfahrungen machen.

»Es hat bei Friedhöfen einen Kulturwandel gegeben«, sagt Manfred Kaune. Der Leiter des Grünflächenamts, dem die Friedhofsverwaltung unterstellt ist, ist der oberste Hüter der Kölner Fried­höfe. Seit 2014 zeugt auch die Friedhofssatzung von diesem Kulturwandel. Dort heißt es seitdem, Friedhöfe erfüllen »eine wichtige ökologische Funktion und tragen zur Verbesserung des Stadtklimas bei«. Natürlich habe man diesen Zweck von Friedhöfen nicht in Köln erfunden, sagt Kaune. »Aber es war wichtig, ihn in der Friedhofssatzung zu verankern.« Dadurch, dass sich immer mehr Menschen in Urnen bestatten lassen und immer mehr Gräber nach 25 Jahren nicht verlängert werden, sind auf Friedhöfen mehr freie Flächen entstanden. Und wo freie Flächen entstehen, steigt in Großstädten der Druck, sie anderweitig zu ­nutzen. »Deshalb war es wichtig, die ökologische Funktion zu unterstreichen«, so Kaune. In der Bürgerbeteiligung »Kulturraum Kölner Friedhöfe« konnten Kölner 2019 äußern, welche Nutzungen sie sich für Friedhöfe wünschen. Das Ergebnis: »Die Menschen wollen kein Halligalli. Sie wollen, dass Friedhöfe ruhige Orte bleiben«, sagt Manfred Kaune. »Aber die ­Zustimmung für ökologische Projekte war sehr groß.« Grünflächenamt und Umweltamt haben, gemeinsam mit der Genossenschaft Kölner Friedhofsgärtner und Umweltverbänden wie dem Nabu, ihre Bemühungen um Aufenthaltsqualität und Ökologie verstärkt. Es sind unterschiedliche Projekte entstanden, die Artenvielfalt stärken und Lebensraum für Tiere und Pflanzen vergrößern. Vom Lavendelbeet auf dem Melaten-Friedhof über den Wildobsthain auf dem Friedhof Kalk bis hin zu Nistkästen für die Fledermäuse auf dem Westfriedhof.

Dass Friedhöfe seit jeher besondere Orte für Artenvielfalt sind, hat viele Gründe. Dazu zählt der im Vergleich zu städtischen Grünflächen sehr alte Baumbestand. »Vor allem auf Melaten haben Fledermäuse und Höhlenbrüter tolle Möglichkeiten«, sagt Jana Romero vom Nabu. Arten wie Kohl- und Blaumeise, aber auch Trauerschnäpper und Hohltaube finden in der Stadt immer seltener Unterschlupf. Zudem sind die zahlreichen Wasserstellen für ­Vögel und Kleinsäuger attraktiv, während nachtaktive Tiere die Ruhe schätzen: »Ein großes Plus für den Artenschutz ist, dass Friedhöfe nachts abgeschlossen sind«, erklärt Romero. In Städten mit hoher Lichtverschmutzung, die auch nachts nie dunkel sind, ziehen sich Fledermäuse oder ­Bilche, wie Gartenschläfer oder Siebenschläfer, oft auf Friedhöfe zurück. Außerdem sind Friedhöfe die einzigen Orte in der Stadt, die nicht von Hunden betreten werden dürfen.

»Friedhöfe sind kleine grüne Oasen mit sehr geschützten Lebensräumen. Und wir versuchen, das mit unseren Projekten zu unterstützen und zu forcieren«, sagt Manfred Kaune vom Kölner Grünflächenamt. Menschen, die es als ­Widerspruch wahrnehmen, dass man auf menschlichen Gedenkorten das tierische Leben fördert, ­erlebe er kaum. Mit einer Ausnahme: »Manche Leute ärgern sich, wenn sie ein Blumengesteck zum Grab bringen und drei Tage später merken, dass es weggefressen wurde.«

Die Stadt Köln richtet mit dem Nabu Köln den Fotowettbewerb »Lebendiger Friedhof« aus. Einsendeschluss ist der 6. Juni 2022. Mehr Infos: stadt-koeln.de, nabu-koeln.de