Zwiespältige Helden: »The Rescue« von Dante Lam

Mehr oder weniger staatstragend

Wie die aktuellen Katastrophen den Blick auf das Programm der Fantasy Filmfest Nights ändern

So langsam pendelt sich das Leben wieder so ein, wie man das noch aus den Jahren vor 2020 erinnert. Was natürlich auch bedeutet, dass Festivals wieder an ihre gewohnten Termine zurückkehren, wie nun die Fantasy Filmfest Nights. Andererseits kann man auch nicht behaupten, wieder in mehr oder weniger normalen Zeiten zu leben: Es ist Krieg, was einen auf einige Filme der Auswahl besonders prüfend blicken lässt.

Allen voran Dante Lams »The Rescue«. Es ist überhaupt erst einmal überraschend, dass das ansonsten stets um den letzten Schrei und die frischeste Ware bemühte Festival einen rund zwei Jahre alten Film zeigt — Lam hat seither gemeinsam mit Chen ­Kaige und Tsui Hark zwei der ­massivsten Action-Großspektakel zum 70. Jahrestag des Ausbruchs des Koreakriegs co-inszeniert: »The Battle at Lake Changjin« (2021) und »Water Gate Bridge« (2022), sowie einen Auftragskurzkurzfilm zur Ehrenrettung der, in ihrem ­Ansehen nach den Protesten der Jahre 2019-21 schwer angeschlagenen, Hongkonger Polizei. Will ­sagen: Lam ist mittlerweile in die Konfektion patriotischer Filme gegangen (in China werden sie »Hauptmelodie«-Filme genannt), wie so einige andere Action-Regisseure aus Hongkong.

»The Rescue« entstand ebenfalls mit dem Anliegen, die Arbeit einiger Staatsdiener so zu zeigen, dass man sieht, wie gut organisiert die Institutionen der Volksrepublik sind — in diesem Fall die erst 2013 gegründete Küstenwache. Deren reale politische Rolle ist ziemlich ambivalent, da sie unter anderem für beständige Unruhe, Kleinkonflikte, eine Atmosphäre dauerhafter Bedrohung im Südchinesischen Meer sorgt. Es sind also diejenigen, die eine wahrscheinlich besonders prononcierte Rolle spielen werden, falls die Volksrepublik, ermutigt durch Russlands Einmarsch in die Ukraine, nun Ernst machen sollte mit dem Versuch, die Republik China, also: Taiwan, zu erobern.


Der Krieg in der Ukraine lässt einen auf einige Filme der Auswahl besonders prüfend blicken

Darum aber geht es Lam natürlich nicht — er zeigt sie als einen Katastrophenschutz, eine Gruppe von Profis, die Menschenleben rettet. Das ist laute und massive Unterhaltung, die an sich nichts groß Falsches sagt und auch weitgehend solide Werte vermittelt und damit weder besser noch schlechter dasteht als vergleichbare Konfektion aus den USA oder Frankreich — nur ist das eben in der realen politischen Welt nicht alles, sondern genaugenommen das mit am wenigsten Wichtige. Entstanden ist »The Rescue« im Übrigen auch mit bayrischen Fördermitteln, über eine der Digitaleffektfirmen.

Bei Kirill Sokolovs »No Looking Back« dürfte man am Anfang das Logo der staatlichen russischen Filmförderung sehen, was einige zu Protestgebuhe animieren könnte. Dabei zeigt Kirill Sokolovs Zweitling recht drastisch, wie kompliziert die Dinge in Wirklichkeit sind — »No Looking Back« ist nämlich alles andere als staatstragend. Anhand der Geschichte einer komplett in Erniedrigungs- und Zerstörungsritualen festgefahrenen Mutter-Tochter-Beziehung wird der lokale Alltag als vielschichtiges System institutionalisierter Gewalt dargestellt — Mütterchen Russland nährt und schützt nicht, sondern vernichtet ihre Kinder wie sich selbst. Und das alles in klatschgrellen Farben, hysterischen Tönen und herausragenden Blutmengen — also die Art von Kino, bei dem man die subversiven (aber auch regressiven) Dimensionen schnell mal übersieht, weil es halt poppig daherkommt, statt auf seriös zu machen.

Aus einem weiteren politisch dauernd mit Misstrauen beäugten Land, der Islamischen Republik Iran, kommt eines der Gustostücke des Programms: »Zalava«, das Regiedebüt des Drehbuchautors Arsalan Amiri. Diese angenehm robuste Exorzismus-Geschichte um den Kampf zwischen einer naturwissenschaftlichen und einer von Paranoia und Aberglauben zerfressenen Weltsicht lässt sich gerade perfekt allegorisch auf die jüngste Vergangenheit bis tages­aktuelle Gegenwart beziehen, also den ganzen Pandemieleugner-Wahnsinn und wie man mit Scharlatanerie Gutgläubige in ­einer Parallelwelt hält.

Infos: fantasyfilmfest.com