Jenseits starrer Grenzen: Emine Sevgi Özdamar, Foto: Heike Steinweg

Die Grenzgängerin

Emine Sevgi Özdamar blickt in »Ein von Schatten begrenzter Raum« zurück auf ihr Leben

»Mein grenzenloses Herz!/ Leb deinen Traum,/ trotz einsamer Nacht/ und brennender Tage«, heißt es in einem Gedicht von Arthur Rimbaud. Emine Sevgi Özdamar greift es in »Ein von Schatten begrenzter Raum« immer wieder auf. Grenzen sind das Grundmotiv des autobiografischen Romans der 1946 im türkischen Malatya geborenen Autorin. Ländergrenzen, der Eiserne Vorhang, kulturelle Grenzen: Sie alle werden von der Ich-Erzählerin überwunden, wie auch die Grenzen ihrer Identität. Heimat bietet allein die Kunst, das Schreiben, während politische Grenzen die Protagonistin eher aus- als einschließen.

Emine Sevgi Özdamar war in der Türkei eine etablierte Theaterschauspielerin, hatte jedoch als Sozialistin nach dem Militärputsch 1971 kaum noch Möglichkeiten, zu arbeiten. So ging sie 1976 als Regieassistentin an die Volksbühne in Ost-Berlin. Sie lebte aber im Westteil der Stadt, und die stetigen Grenzübertritte haben auch Einzug in »Ein von Schatten begrenzter Raum« gefunden. Ebenso wie ihre spätere selbstgewählte Heimat Paris, wo sie in den Jahren 1978 und 1979 lebte, bevor sie unter Claus Peymann am Schauspielhaus Bochum arbeitete. In dieser Zeit entstanden auch erste literarische Texte. 1991 erhielt Özdamar für ein Kapitel ihres unveröffentlichten Debüt-Romans »Das Leben ist eine Karawanserei« den Ingeborg-Bachmann-Preis.

Özdamar erzählt in ihrem neuen Roman von ihrem Weg in die Welt der deutschen Kultur und von Weggefährten und Vorbildern, mit denen sie im Roman in Dialog tritt: »Solche Menschen waren für mich die Ehre Deutschlands. Kroetz, Achternbusch, Fassbinder, Heinrich Böll, Rosa von Praunheim, Wolfgang Neuss«, schreibt sie. »Ich liebte es, in einem Land zu leben, das lebensfähig war. Ich hatte ja kein lebensfähiges Land.«

Doch neben dieser »Ehre Deutschlands« erfährt die Protagonistin auch Rassismus. Eine sprechende Krähe prophezeit ihr: »Schau, die Frauen unserer Landsleute sind in Berlin Putzfrauen. Und auf einer deutschen Bühne ist eine türkische Frau eine türkische Frau, und eine türkische Frau ist eine Putzfrau. Das ist die tägliche Realität. Du kannst in Deutschland am Theater nur als Putzfrau Karriere machen.« Obwohl sie tatsächlich auch Rollen als Putzfrau annahm, hat Emine Sevgi Özdamar es ­dennoch geschafft, Karriere zu ­machen. Den deutschen Kulturbetrieb hat sie so um eine Stimme jenseits starrer Grenzen bereichert.

Emine Sevgi Özdamar: »Ein von Schatten begrenzter Raum«, Suhrkamp, 763 Seiten, 28 Euro