Kiki Smith, »Ohne Titel«, 1992, Eisenguss, Foto: Dejan Saric

Hirnwindungen der Kunst

Eine Bonner Ausstellung widmet sich dem Gehirn in Kunst & Wissenschaft

Einige werden sich vielleicht erinnern: Im Jahr 1990 rief der amerikanische Kongress das »Jahrzehnt des Gehirns« aus. Die Mauer war gefallen und die Blöcke näherten sich einander an. Die Geschichte schien an ihr Ende gelangt. Existentiellere Fragen der Menschheit sollten stattdessen in den Vordergrund treten. Sprunghafte Fortschritte in der Hirnforschung zogen die Aufmerksamkeit auf sich.

Mittlerweile wissen wir: Die Geschichte hat sich nicht verabschiedet. Dennoch, oder gerade deshalb bleibt die Frage, was in den Köpfen der Menschen, nicht nur derer, die das Rad der Geschichte zurückdrehen möchten, vor sich geht, anhaltend virulent. In Form einer Ausstellung versucht sich die Bonner Bundeskunsthalle derzeit an einer Bilanz. Natürlich bildet nicht die aktuelle Tragödie des Krieges in Europa die Motivation zum Ausstellungskonzept, vielmehr sollen die sich wechselseitig bereichernden Disziplinen Medizin, Physik, Informatik, Neurobiologie, Psychologie und Kulturgeschichte, aber auch die Kunst zu ihren Erkenntnissen im Hinblick auf die Sprache des Gehirns befragt werden.

Der mäandernde Ausstellungsparcour scheint dabei ein Stück weit unseren Hirnwindungen nachempfunden. In einem Schnelldurchgang werden wichtige historische Stationen der Beschäftigung mit dem Gehirn und seiner Erforschung rekapituliert. Beeindruckende Artefakte aus Kultur- und Wissenschaftsgeschichte von den alten Ägyptern bis heute illustrieren die diversen Vorstellungen, die man sich vom Zentralorgan des Menschen machte. Als anerkannte Neugierdisziplin bildet die Kunst hier nicht mehr den irrationalen Gegenpol zur Wissenschaft. Viele der gezeigten Werke zeitgenössischer Künstler*innen sind vor allem Selbstbefragung, seien es die Computerbilder der eigenen Hirnschnitte von Isa Genzken oder die eindrückliche Malerei von Maria Lassnig, die ihren Emotionen und Seelenzuständen auf der Spur ist.

Dem Phänomen der »Inneren Stimme« nähert sich Asta Gröting mit einem filmischen Dialog zwischen einer Bauchrednerpuppe und ihrem Stimmgeber. Drängende Fragen der Zeit werden im Verbund von Kognitionsforschung und Kunst aufgerufen. Es bleibt zu hoffen, dass diese noch stärker ins Bewusstsein gelangen. Schließlich ist das menschliche Gehirn das einzige Organ, das sich über sich selbst wundern kann.

Bundeskunsthalle Bonn, Museumsmeile, Helmut-Kohl-Allee 4, Di 10–19, Mi 10–21, Do–So 10–19 Uhr, bis 26.6.
Digitales Material sowie begleitende Veranstaltungen unter bundeskunsthalle.de