Nicht nur Stadtgeschichte: ehemalige Gestapo-Zellen im Keller des El-De-Haus

»Erhebliche Irritation«

Was haben CDU und OB Henriette Reker mit dem ­NS-Dokumentationszentrum vor?

Vor einem halben Jahr ging der langjährige Direktor des NS-Dokumentationszentrums Werner Jung in den Ruhestand. Seither ist die Gedenk- und Bildungsstätte im EL-DE-Haus, dem früheren Gestapo-Hauptquartier am Appellhofplatz, ohne Leitung. Es ist die größte lokale Gedenkstätte hierzulande. In den ehemaligen Gefängniszellen findet man noch Zeichnungen und Inschriften von Häftlingen, heute ist hier auch eine Info- und Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus und eine Fachstelle gegen Antisemitismus und Rassismus angesiedelt. Doch im Januar erfuhr Claudia Wörmann-Adam vom Förderverein, dass die Suche nach einer neuen Leitung auf Eis liegt. »Wir haben den Kulturdezernenten Stefan Charles um ein Gespräch gebeten«, so Wörmann-Adam. Doch er habe zunächst erst einen Termin in knapp vier Monaten anbieten können. Warum wird das renommierte NS-Dok derart düpiert?

Der Grund liegt in einem im Dezember gefallenen Ratsbeschluss zur »Historischen Mitte«. Das Bauprojekt auf dem Roncalliplatz verknüpft u.a. den Neubau von Stadtmuseum und Kurienhaus des Doms. Im Dezember ging es im Rat vor allem um ­Baukostensteigerungen und die Fällung einer Platane. Doch kurz zuvor brachte das Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt auf ­Initiative der CDU einen Änderungsantrag ein, der mit dem Bauprojekt auch ein inhaltliches Konzept verbindet: Das Römisch-­Germanische Museum, die im Bau befindliche Miqua — das Jüdische Museum im Archäologischen Quartier—, das Stadtmuseum sowie das NS-Dok sollen »als integrale Bestandteile einer konsistenten und stringenten Präsentation und Vermittlung der einzigartigen über 2000-jährigen Kölner Stadtgeschichte begriffen« und mögliche Synergien identifiziert werden.

Dieses Konzept müsse erst stehen, damit das Anforderungsprofil an die Leitung des NS-Dok definiert werden könne, so die Kulturverwaltung. Daraufhin regte sich Protest: Soll das NS-Dok auf ein zwölf Jahre Stadtgeschichte umfassendes Museum reduziert und einem Generaldirektor aller Kölner historischen Museen untergeordnet werden? »Die CDU will die 2000-jährige Geschichte Kölns mit dem Stadtmarketing verknüpfen«, glaubt der Publizist Martin Stankowski. »Die Idee, die stadthistorischen Institutionen zusammen zu denken, ist ja nicht falsch. Aber das NS Dok gehört da nicht rein. Die Besonderheit und Bedeutung des Hauses wird nicht erkannt.«

Unter dem Eindruck des Protests stimmte der Kulturausschuss Anfang April auf Initiative der SPD dafür, das Verfahren zur Neubesetzung sofort wieder aufzunehmen. Auch die Grünen stimmten gegen ihren Bündnispartner CDU für den Antrag. Kulturdezernent Stefan Charles sagte zu, den Posten bis Anfang Juni auszuschreiben. Doch die Verknüpfung mit der Historischen Mitte ist damit nicht vom Tisch. Und nicht nur das: In einer Mitteilung stellte OB Henriette Reker klar, dass sie den Beschluss zur ­sofortigen Einleitung des Besetzungsverfahrens nicht umsetzen will. Laut Gemeindeordnung sei sie selbst für Personalangelegenheiten dieser Art zuständig.

Diese »Eskalation« durch die OB sei aber kein reiner Zuständigkeitskonflikt, glaubt der frühere Kölner Grünen-Chef Jörg Frank. Es handle sich um eine »politische Grundsatzentscheidung über den zukünftigen Stellenwert« des NS-Dok. Um dessen Stellenwert zu retten, müsse die Ratsmehrheit den folgenreichen Teil des Rats­beschlusses vom Dezember aufheben. Doch es sei bereits ein ­Schaden eingetreten, so Claudia Wörmann­-Adam vom Förderverein. »Die Vorgänge haben in Gedenkstätten international für erhebliche Irritation gesorgt. Diese Außenwirkung wird in Köln unterschätzt.«