Eine Gegend mit »Begrünungspotenzial«: Gewerbegebiet an der Schanzenstraße in Mülheim, Foto: © Uni Köln

Gegen die Ohnmacht

Ein Projekt der Uni Köln lässt Kölner die Bedeutung des rechtsrheinischen Grün­gürtels erleben

Schlechte Beispiele sind oft eindrücklicher als gute. Das macht den Wiener Platz zu einem passenden Ort, um etwas darüber zu erfahren, was der rechtsrheinische Grüngürtel für das Klima in seiner Umgebung tut. »Man muss nicht ins Grüne gehen, um die Klimaleistung von Naturräumen im Rechtsrheinischen zu zeigen«, sagt Verena Dlugoß. »Man kann dafür auch Orte wie den Wiener Platz oder den Bahnhof Mülheim aufsuchen.« Und das macht die promovierte Geografin, die am Lehrstuhl für Hydrographie und Klimatologie am Geographischen Institut der Universität zu Köln ­arbeitet. Im Rahmen eines Projekts möchten Dlugoß und ihre Kollegen zeigen, wie wichtig der rechtsrheinische Grüngürtel, der sich von Mülheim und Holweide über Buch­heim bis nach Porz erstreckt, für das dortige Klima ist.

Dafür erheben die Wissenschaftler nicht nur Daten an ­verschiedenen Standorten, die sich nahe oder innerhalb des Äußeren Grüngürtels befinden. Auch wollen sie ihre Ergebnisse erfahrbar machen: Entlang eines »Lern-, Erlebnis- und Aktiv-Pfads« können Kölnerinnen und Kölner an 13 Stationen mehr über das Stadtklima erfahren. »Wir informieren über den Klimacharakter des jeweiligen Standorts«, erklärt Dlugoß. Dafür befinden sich an den Stationen nicht nur Infotafeln, sondern auch QR-Codes, die auf weitere Informationen und mehrsprachige Apps verweisen, mit denen man teilweise selbst Messungen durchführen kann. »Es geht darum, dass man versteht und erlebt, dass die mikro­klimatischen Bedingungen an unterschiedlichen Standorten ganz unterschiedlich sind«, sagt Dlugoß. Dicht bebaut gegenüber locker bebaut, vegetationsfrei ­gegenüber vegetationsbedeckt, versiegelt gegenüber unversiegelt.


Man muss nicht ins Grüne gehen, um die Klimaleistung von Naturräumen zu zeigen
Verena DLUGoss

Bei »Community Building durch Umweltbildung« handelt es sich um einen Teil des Gesamtprojekts »Grüne Infrastruktur Köln — Vielfalt vernetzen« der Stadt Köln, das seit einigen Jahren unter anderem vom Land NRW gefördert wird. Dessen Ziel ist es, Grün- und Erholungsflächen besonders in strukturschwachen ­Gebieten zu vernetzen und aufzuwerten. Dadurch sollen vor allem Menschen, die in sozial benachteiligten oder ökologisch belasteten Quartieren leben, verstärkt Zugänge zur Natur erhalten. Auf den rechtsrheinischen Grüngürtel, der weniger bekannt und — als Grünzug mit Friedhöfen, Kleingärten, Sportanlagen und Parks — auch weniger zusammenhängend ist als die Radiale im Linksrheinischen, trifft all das zu. Die Naturräume sind sehr unterschiedlich, mit Auenlandschaften bis hin zu Königsforst und Wahner Heide. Zudem hat der Mensch teilweise massiv in das Umfeld dieser Naturräume eingegriffen. Und das gesellschaftliche Umfeld des rechtsrheinischen Grüngürtels ist heterogen.

Die Verschiedenartigkeit erlebt man auch auf der Route, auf der sich der Lehrpfad durchs Rechtsrheinische schlängelt: Den Anfang macht die Mülheimer Rheininsel, über das Industriegebiet an der Schanzenstraße und den Wiener Platz geht es über einen Freiraum-Korridor zu einem Wald in der Nähe der Herler Mühle in Buchheim. Dann weiter zu einer Bachkreuzung von Strunde und Faulbach in Holweide und über die Merheimer Heide und das Gartenlabor an der Olpener Straße schließlich bis ins Gremberger Wäldchen. Das etwa 72 Hektar große Waldstück zählt zu den letzten Überresten eines heimischen Waldbestands auf Kölner Stadtgebiet.

Die Geografin Dlugoß betont den Aufforderungscharakter des Projekts. »Wir wollen den Menschen näherbringen, dass jeder im kleinen Rahmen etwas tun kann«, sagt sie. Das Projekt richtet sich damit auch gegen die Ohnmacht, mit der viele Menschen der globalen Bedrohung des Klimawandels gegenüberstehen. Damit sei nicht bloß der eigene Garten oder Balkon gemeint, den man begrünen und naturnah gestalten kann, sagt ­Verena Dlugoß. Sie und die anderen Forschenden möchten dazu anregen, sich bei der Gestaltung der städtischen Infrastruktur einzubringen. »Wie auch immer man partizipieren möchte oder kann — es lohnt sich.« 

Das Geographische Institut der Uni­versität zu Köln bietet Exkursionen zum Thema Klimaleistung des Kölner Grüngürtels:

Fr 6.5. 14–17 Uhr und Fr 1.7., 14–17 Uhr, Treffpunkt: Vorplatz Bahnhof Mülheim, Anmeldung bis zum 2.5.: verena.dlugoss@uni-koeln.de

Weitere Informationen zum Projekt auf: geographie.uni-koeln.de