Argonauten in Traum-Gefilden: C.A.R.

Luzide Träume

C.A.R. loten die Untiefen zwischen Wachsein und Schlaf aus

Einstein versuchte es, Freud schau­te zumindest mal ins Thema rein, Pasolini und Fellini sollen durchaus begabt gewesen sein: Klarträume oder Luzide Träume sind der heilige Gral der Bewusstseinserweiterung. Ganz ohne Drogen, bloß durch Selbstkontrolle und mit Training können etwa 20 ­Prozent aller Menschen zu Klarträumer*innen werden. Hier ist man nicht »gefangen« im eigenen Traum, sondern stets bewusst über den Zustand der Erfahrung. Und somit in der Lage, das Erleben so zu steuern, dass selbst die abenteuerlichsten Geschichten möglich sind. Nicht ohne Grund bezeichnet man solche Abenteurer*innen auch als Oneironau­ten — zusammengesetzt aus den altgriechischen Wörtern für Traum und Seefahrer.

Die Kölner Band C.A.R. möchte in diese Tradition einsteigen; je­den­falls nennt sie ihre Konzertperformance, die im Rahmen des Acht-Brücken-Festivals stattfinden wird »Oneironauts«. Anlass dafür waren die Experimente des C.A.R.-Mitglieds und Saxofonisten Leonhard Huhn: »Ich habe em­pirisch ergründet, was passiert, wenn man sich hinlegt. Wie dann der Körper und das Bewusstsein reagiert.« Für ihn habe die Musik der Band generell etwas »Traumwandlerisches«.

Tatsächlich ist »traumwand­lerisch« auch die beste Vokabel, um die Musik zu beschreiben, die C.A.R. spielen, da andere Genrebezeichnungen durchaus passen — die Bezüge zu Kraut und Jazz sind offensichtlich —, aber nie des Pudels Kern treffen. Das liegt unter anderem in der Geschichte der 2011 gegründeten Band. Alle vier Mitglieder, neben Leonhard Huhn sind das Johannes Klingebiel, Christian Lorenzen und Kenn Hartwig, studierten seinerzeit

an der hiesigen Hochschule für Musik und Tanz. Pünktlich zum Diplomkonzert des Drummers Klingebiel und des Bassisten Hartwig gründeten sie die Combo. Klingebiel erinnert sich: »Weil der Jazz-Studiengang so klein ist, hat man eh einen Überblick, mit wem man klickt und mit wem nicht.« So habe sich die Band nach dem Konzert nicht aufgelöst, sondern weitergemacht. »Am Anfang war alles sehr wild. Laut, verzerrt, schnell, viele Effekte«, erzählt er weiter, »das hat sich aber nach und nach gewandelt hin zu dem Sound, den wir heute machen.«

Jazz sticht manchmal noch durch, obwohl man, wie Huhn klarstellt, »mittlerweile sehr weit weg ist von der Idee: Da ist ein Jazz-Quartett und das spielt nun ein Konzert!« Viel mehr habe sich über die Ablehnung der Jazz-Diktate, die im Studium so genervt hätten, ein eher intuitiver Entwurf herauskristallisiert. Statt der Band, die den Grund legt und den Soli, die »darüber genagelt werden« (Klingebiel), spiele man jetzt in ­einem anderen, gemeinsamen Jam, wo jeder im Bandgefüge sei und sein eigenes Ding spielen könne. So entstehe etwas anderes.


Man legt sich ab, ist bei vollem Bewusstsein, es wird wirrer und wirrer und vermischt sich  
Leonhard Huhn

Dieses Andere ähnelt recht offen der rheinischen Spielart des Krautrocks, entstanden zwischen den Kölnern Can und den Düsseldorfern Neu!. Auch wenn man nicht versuche in deren Fußstapfen zu treten, erkennt Huhn historische Parallelen: »Irmin Schmidt und Holger Czukay von Can haben auch in Köln studiert — bei Karlheinz Stockhausen —, um dann mit ihrem Wissen aus dem Studium ihrerseits einen anderen Sound zu spielen.« Man komme auch nach fast 60 Jahren, die zwischen den Bands liegen, zu ähn­lichen Ergebnissen. Gleichwohl höre man aber schon auch Unterschiede: »Wir wollen und können gar nicht nur reproduzieren, selbst wenn wir wollten«, stellt Klingebiel fest.

Diese Art des Bandgefüges, das Verständnis und die Interessen der Einzelnen, sowie der gemeinsame Jam haben nach und nach eine psychedelische Note aus der Musik herausgeschält. Hier schließt sich der Bogen zum »Oneironauts«-Konzerterlebnis. Huhn erklärt: »Die Konzertperformance soll wie ein Power-Nap ablaufen, das Einschlafen gibt die Struktur vor: Man legt sich ab, ist beim vollen Bewusstsein; es wird wirrer und wirrer und vermischt sich bis zu einem Kipppunkt, wo das Unterbewusstsein in den Vordergrund rückt; die Atmung sinkt ab. Dann beginnt ein interessanter Prozess, wo man aus Erinnerungen Träume entwickelt.« Wie sich das konkret anhöre, das werde man aber erst beim Konzert sehen. Da kann man sich nur wünschen, dass die Sitze auch gemütlich sind, denn wie man sich bettet, so schläft man eben auch.