Braucht keine Discokugel zur Erleuchtung: David Moufang, Foto: Yonathan Baraki

Der Club-Exorzist

Der DJ und Produzent Move D ist auf sanfte Weise ekstatisch unverwüstlich

Schaut man sich Fotos des DJs und Produzenten David Moufang alias Move D an, so käme man nie auf den Gedanken, dass er von ­Anbeginn der deutschen Techno- und Housegeschichte ein integraler Teil dieser ist. Auch in Persona wirkt Moufang deutlich jünger; sein Alter von 55 Jahren und die Clubnächte sieht man ihm kaum an. Sein Geheimnis, das gar nicht so geheim ist: Neugierde und Spaß am Neuen. Wo andere sich­­ ­irgendwann auf Dogmen reduzierten und so von Einflüssen ­abkapselten, zieht es ihn noch ­immer zum Unbekannten hin.

Lange Zeit suchte er diese an der Seite von Jonas Grossmann, mit dem er nicht nur diverse gemeinsame musikalische Projekte wie Space Time Continuum in seinem Backkatalog führt, sondern mit dem er auch in den frühen 90er Jahren das Source Records Label ins Leben gerufen hat; ­ebenso wichtig als kongenialer ­Dialogpartner im Studio war bis zu seinem frühen Tod 2012 der Frankfurter Musiker und »FAX +49-69/450464«-Labelbetreiber Pete Namlook. Aktuell arbeitet Moufang regelmäßig mit dem Münchner Pop-Theoretiker und Radio-DJ Thomas Meinecke Hand in Hand. Dabei entstehen gleichermaßen Hörspiele und Platten für das Label Workshop. Die Diskographie von Moufang ist dementsprechend lang. Wäre man ­gezwungen dennoch eine Platte raus­zupicken, dann würden die meisten wohl sein epochales ­Album »Kunststoff« auswählen, mit dem er sich 1995 in die Geschichtsbücher der Elektronischen Musik eingeschrieben hat. Genauso gut könnte man auch eine seiner verschmitzt-verspielten House-Produktionen auswählen, oder gar eine der Auftragsarbeiten für namhafte Star-DJs, die er inkognito abliefert. Dass Moufang kaum Berührungsängste kennt, zeichnet ihn aus. Möglich ist es, da er ein DJ und Produzent gewordener Fan und Tänzer ist; selbst heute sieht man ihn noch nach seinem Set auf der Tanzfläche.


Moufang geht es ­essentiell um ­Hedonismus und gemeinsame kulturelle ­Erfahrungswelten

Mit »Nacht­­ö­konomie«, wie Clubkultur neuerdings gerne auf Antragsformularen und in Politiker:innen-Reden bezeichnet wird, hat er nichts am Hut. Ihm geht es essentiell um Hedonismus und gemeinsame kulturelle Erfahrungswelten. Er weiß halt, wie es noch in den 90er Jahren ausgesehen hat: unfreier, normierter, krass geldgetrieben. ­David Moufang gehört jener Gene­ration an, die sich mit Disco, Hip­Hop, Sound und Funk freigespielt hat und mit ihren ersten House Platten das revolutionäre Potential einer Musikszene jenseits von Klassengrenzen und Nationalitäten spüren ließ. Das Ritual des ­gemeinsamen Tanzens besitzt für ihn eine heilende Funktion, die weit über das Individuelle hinausgeht — es ist für ihn ein Exorzismus des Bösen in der Welt. Auch wenn er heute den Großteil seiner Gagen im weltweiten Club-Wanderzirkus verdient, so tragen ihn noch immer diese Erinnerungen an frühe Raves auf Wiesen und in verlassenen Fabrikhallen durch die Nächte.

Eine wichtige frühe und bis heute prägende Erkenntnis für Moufang war sicherlich, dass Popkultur eben nicht mehr primär den großen Musikstädten auf der Welt gehört. Denn auch wenn die ersten Techno- und House-Patten noch aus Detroit und Chicago kamen, so waren schnell auch Städte wie Sheffield (mit Warp), Frankfurt und eben auch Heidelberg Zentren einer dynamischen Szene. Letzteres dank Moufangs Source Records, dessen Platten von Black Knight, Yoni und Space Time Continuum ebenso selbstverständlich in die USA exportiert wurden, wie umgekehrt die amerikanischen Platten nach Europa importiert. Insofern könnte man sagen, dass Grossmann und Moufang seherische Fähigkeiten bewiesen, als sie ihr erstes Projekt und das Debütalbum »Earth to Infinity« nannten.

Im Wissen um die Bedeutung des Source-Katalogs hat Moufang das 2005 eingestellte Label während der Pandemie-bedingten Auszeit vom DJ-Leben reaktiviert. Er  legt nicht nur Klassiker neu auf, sondern veröffent­­licht aktuell eine Serie von sechs Move-D-­Platten unter dem Sammeltitel »Pandemix Live Jams«. Weitere Kooperationsprojekte sind bereits in Aussicht gestellt!