Liebes- und Fluchtgeschichte: »Ruten no ōhi« © 1960 Kadokawa Pictures

Fremd im Alphamänner-Land

Die japanische Filme­macherin Tanaka Kinuyo

Manchmal ist Köln dem Rest der Welt doch einen Schritt voraus. Als vor mehr als zwanzig Jahren das Japanische Kulturinstitut eine komplette Retrospektive der Regie­arbeiten von Tanaka Kinuyo (1909–1977) im Rahmen eines Programms zu japanischen Filme­mache­rinnen präsentierte, wurden die Werke vom Publikum sowie Teilen der lokalen Presse gefeiert. Diese sechs Filme waren zuvor so gut wie nie zusammen zu sehen gewesen und filmhistorisch quasi unaufgearbeitet. Begleitend gab es auch noch eine kleine Ausstellung zu Tanaka, in der unter anderem ein Foto gezeigt wurde von einer Versammlung der japanischen Regiegilde, in der sie als einzige Frau in einem weißen ­Kimono aus einem Meer von schwarzen Fracks hervorleuchtet.

Mittlerweile hat der Rest der Welt gleichgezogen mit Köln: Tanakas Schaffen wurde komplett digital restauriert, tourt dieser Tage durch die hipsten Festivals und ­Archive des Erdenrunds und wird endlich angemessen wahrgenommen. Und so kommt es denn auch erneut zu uns.

Die Zeit war gut zu Tanakas Werk, jede ihrer sechs Regiearbeiten hat noch an Kraft und Tiefe gewonnen. An dieser Stelle soll vor allen Dingen auf zwei Filme hingewiesen werden: »Ruten no ōhi« (»The Wandering Empress«, 1960) und »Oginsama« (»Love ­Under the Crucifix«, 1962) — ihre beiden Historiendramen, ein Genre, welches der offiziöseren Filmkultur kaum etwas gilt. Ersteres ist besonders interessant, weil es von der Verwicklung des japanischen Adels in die Kolonialisierung Chinas handelt — in Gestalt einer eigentümlichen Liebes- und Fluchtgeschichte. Sollte sich jemand an Bertoluccis »The Last Emperor« (1987) erinnern: Hier geht es um die Gattin des jüngeren Bruders des letzten chinesischen Kaisers Puyi, deren Lebensbetrach­tungen 1959 ein Bestseller in Japan waren. »Oginsama« gehört zum Korpus an »Rikyū’ana«-Werken über das Leben und Wirken des Teemeisters Sen no Rikyū. Die Hauptperson hier ist seine Tochter Ogin, erzählt wird die Geschichte ihrer Beziehung zu dem katholischen Lehensherrn Takayama Ukon — seit 2017 ein Seliger. »Ruten no ōhi« und »Oginsama« behandeln Fragen des Fremdseins, auch der Heimatlosigkeit. Interessant, dass sich Tanaka zum Ende ihres Schaffens hin diesem Themenkomplex widmete — als mehr oder weniger bewusste Reaktion auch auf ihr eigenes Anders-Sein als Filmemacherin, als Fremde im Alphamännerland?

Infos: jki.de