»Bioswop«: SEE! über das Leben, das sich in den Körper prägt, Foto: Christian Knieps

Ein bizarrer ­Kinderspielplatz

»Bioswop« verhandelt seltsame Lebensverläufe

Was Körper über Menschenleben erzählen, darum geht es in »Bioswop« von SEE! (S.E.Struck, Alexandra Knieps) — eine Mischung aus »Biografie« und dem Wort »swop« für Tausch. In die Alten Feuerwache hat David Rauer einen klinisch weißen Raum gebaut, die Zuschauer sitzen im Quadrat zwischen seltsamen Skulpturen aus (recycelbarem) Bauschaum: Kakteen, Kuscheltiere oder Kamele aus einer fremden Welt. Wie fremde Zeichen wirken auch die Beine, die erst nur Performerin Alice Heyward, dann auch Hyunjin Kim nach oben an die Wand strecken. Nach und nach kommen auch die anderen vier Tänzer*innen in avanciertem Jeans-Design (Yvonne Wadewitz) auf die Bühne. Zunächst hören sich ihre Worte an wie ritualisierte, aber auch allgemeinplatzhafte Gedicht-Anfänge: »I was born in a swamp — on a beach — in a stolen land — in a suburbia — a waiting room«. Dann verwandeln sich die Satzfetzen in reale Biografien.

Der eine Performer ist im osteuropäischen Plattenbau auf­gewachsen, der andere bei Ver­legereltern, die andere bei einer ­alleinerziehenden DDR-Tisch­­tennis­­meisterin. Einmal war das Haus der Großeltern ein Paradies, ein anderes Mal die Familie bitterarm. Nur bei Freunden gab es »dish­­washer« oder »ice-machines« — die »sch« zischen bald ­einen eigenen Acapella-Sound. Immer rhythmischer wechseln sich die Biografie-Ausschnitte ab, überlagern sich, werden zu einem Teppich aus ­Tönen und Gesten. Dazu kreiseln die Performer im Raum wie parallele Karussells, rutschen auf sich zu und wieder weg, schleudern Arme im Kreis, pflügen Lebenslinien durch den Raum, sinken zusammen als ­Yoga-Krieger oder dirigieren zum Publikum. Sanft treibt die Elek­tromusik.

Tanz- und Erinnerungsbilder entstehen und vergehen. Dann schieben die Performer endlich die grün-orange beleuchteten Bauschaum-Objekte heran und ziehen bunte Stoffschlangen heraus. Vielleicht stehen sie für die seltsam diversen Lebensverläufe, die wir alle zusammenstoppeln im Laufe der Zeiten. Was die Performerinnen-Körper von den erzählten Biografien abgespeichert haben, ist nicht zu erkennen — oder geht es darum, dass Lebensverläufe dann doch zufällig gewürfelt und austauschbar sind? Hoffen wir trotzdem, dass sie so fröhlich ausfallen wie auf der ­Bühne. Die sieht am Ende aus wie ein bizarrer Kinderspielplatz. Ein schöner Abend, auf den man sich einlassen muss.