Inge Schmidt, »gedeckter Tisch«, o.J.

Hellgrau mit etwas Rosa

Inge Schmidt arrangiert 339 Arbeiten zu einer großartigen Ausstellung

Es gibt Ausstellungen, die mit Computersimulation und Baumodell kühl geplant sind und nur noch aufgebaut werden müssen. Und es gibt die der 1944 geborenen, in Köln lebenden Inge Schmidt in der Villa Zanders. Fast nichts stand fest, fast alles ergab sich peu à peu in einem langsamen, skrupulösen Prozess vor Ort. Aus einem weit größeren Werkvorrat fanden schließlich 339 seit 1987 entstandene Skulpturen, Zeichnungen und Künstlerbücher ihre Plätze in den acht Räumen des Obergeschosses. Inge Schmidt spricht davon, ihre ­Ausstellung »einzurichten«, womit eine achtsame Sorgfalt anklingt. Und so ist diese Werkfülle bestens untergebracht.

Abwechslungsreich und unmuseal arrangiert die Künstlerin ihre Arbeiten, intim mutet die »an der Wand und vor und neben« betitelte Schau an. Nicht nur die meist sehr handlichen Formate tragen zu diesem Eindruck bei — alles scheint leicht zu sein, leicht­händig gemacht. Dem entsprechen die einfachen Materialien der Skulpturen: Holzreste, Graupappe, Karton, Gips und Kordel, Draht, Stoff, manchmal Plastikzeug. Helles, lichtes Grau ist der Grundton der plastischen Stücke, dazu kommt Rosa — für Inge Schmidt eine mit Atem verbundene Farbe —, manchmal etwas Blau. Auch ihr Bezug zu den durchgehend grau gestrichenen Wänden unterstützt die spezielle Zurückgenommenheit dieser Arbeiten, unterstreicht ihre lapidare Präzi­sion, ihre unsentimentale Poesie. Selbst die Skulpturen — sie erinnern an Möbel, Gewächse, Dinge, Gehäuse — stehen eher vor einer Wand oder auf Konsolen als frei im Raum.

Mit der Wandorientierung betont Inge Schmidt die Schauseiten oder, wie sie sagt, das »Gesicht« ihrer plastischen Stücke, von denen sie auch als »Wesen« spricht. Auch wenn der Bezug zur Figur nur gelegentlich als Kopf oder Hand unmittelbar zu Tage tritt, durchziehen Anklänge an Körperliches, an organische und psychische Prozesse das Werk. Wachstum, Aufrichtung, Bewegung und die Suche nach Balance, Tragen und Lasten, Hülle und Fülle, Aus- und Einfaltung, Rückzug und Expansion lassen sich als plastische und zeichnerische Themen ausmachen. Oder wie Inge Schmidt selbst sagt: »Was mich interessiert, ist, von der Schwere am Boden wegzukommen.«


Schmidts Skulpturen erinnern an Möbel, Gewächse, Dinge, Gehäuse

Besonders deutlich wird dieses Anliegen in der überschlanken, hochragenden Gruppe hölzener »Schnittstücke«, die wie ein lichter Wald dicht beieinander ­stehen. Auch Pflanzen- und Tierdarstellungen in den Zeichnungen zeugen von der Suche nach Leichtigkeit, der Freude an freier Bewegung. Besonders ausgeprägt ist die Bewegungsfreiheit der Linie auf Papier. Sie kann ganze Kosmen, einfache Gegenstände, Körper(teile) bezeichnen. Oder neue plastische Gebilde erfinden. Sie kann sich vervielfachen, rhythmisch eine Fläche gliedern, auf andere Blätter überspringen und mit ihnen Variations- und Fortsetzungszeichnungen bilden. Gerade diese Veränderungen eines Themas, die »Folgezeichnungen«, wie Inge Schmidt sie nennt, sind typisch für die auch farbkräftigeren, im Format auffallend größeren Blätter der letzten Jahre. Sie gingen hervor aus dem großen Komplex der gezeichneten, gemalten und collagierten Unikatbücher und Leporellos, verwegenen Neuerfindungen des Buchs als Abfolge von Seiten und Blättern. Sie sind zugleich Zeichnung und plastisches Stück, offen für Spielerisches und Exzentrisches, für alle möglichen Bildsprachen und manchmal saukomisch.

Um der Ausstellung noch etwas mehr Halt im Gedächtnis zu geben, empfiehlt sich der Katalog: Gleich zu Anfang listet er eine kleine Auswahl der wunderbaren Titelerfindungen Inge Schmidts auf (»geflickte Moderne ...vertrackter Bannspruch ... 27 geregelte Reflexe«). Auch bietet er einige Atelieransichten, die zeigen, wie die Künstlerin das dichte, schwarmhafte Neben- und Miteinander zahlreicher kleinerer plastischer Stücke auf Boden und Tischen aus dem Arbeits- in den Ausstellungsraum überträgt. Durch die kluge Komposition des Bildteils wird noch einmal der fruchtbare Austausch zwischen Zeichnungen und Skulpturen sichtbar, zeigen sich das Werk durchziehende Themen und Motive. Alles zusammen erweist sich als ein sorgfältig gereifter, gewachsener und ernsthaft erheiternder Kosmos sehr eigener Art.

Kunstmuseum Villa Zanders, ­Konrad-Adenauer-Platz 8, 51465 Bergisch Gladbach, Di + Fr 14–18, Mi + Sa 10–18, Do 14–20, So 11–18 Uhr, bis 24.7., Der Katalog kostet 18€.