Mit positiver Grundeinstellung raus aus der Krise: Dominique Simon, Foto: Franziska Klein

»Wir werden neu wahrgenommen«

Der Kölner Bar-Experte Dominique Simon über Drinks vor der Tür, Smalltalk an der Theke und Cocktails ohne Alkohol

Herr Simon, Sie betreiben die Bars Spirits und Suderman, außerdem sind Sie Mitorganisator des Branchentreffens Bar Symposium. Was hat sich während der Pandemie für Bars geändert?

Man musste eine positive Grundeinstellung entwickeln, um die Herausforderung anzunehmen. Wir als Bar-Betriebe waren bei den Maßnahmen für die Gastronomie weit hinten angesiedelt — in den ersten Corona-Schutzverordnungen wurden Bars noch bei Nachtclubs und Bordellen eingeordnet. Das war für uns ein Tiefschlag. Und als Restaurants schon wieder öffnen konnten, waren wir immer noch geschlossen. Aber wir sind als Branche zusammengerückt, das ist positiv.

Profitieren Sie nun auch von der Erweiterung der Außengastronomie in Köln? Geht das: Bar-Atmosphäre unter freiem Himmel?

Im Spirits und im Suderman haben wir jetzt Außenbereiche, und es funktioniert! Wenn erst mal die Leute da sitzen, weil es schön ist, dann wollen die anderen dazukommen. Wir werden so auch im Veedel ganz neu wahrgenommen. Ja, Bars können ihr Konzept wunderbar nach außen tragen.

Wie schaffen Sie das?

Im Spirits an der Engelbertstraße haben wir sogar Flächen direkt vor der Bar, wo wir auch draußen die typische Barhöhe aufgreifen. Da sitzt man nicht an Bistrotischen, sondern auf schönen Sitzbänken, die so hoch wie Barhocker sind. Passanten laufen dann auf Augenhöhe vorbei, das ist ja viel angenehmer.

Spielt Essen eine größere Rolle als früher? Oder reichen Erdnüsschen?

Food wird immer wichtiger, ganz klar. In beiden Bars haben wir eine Kooperation mit dem Al Salam, die uns mit tollem Hummus oder Auberginenmousse beliefern. Hochwertige, schöne Snacks zum Drink! Es muss nicht unbedingt ein Angebot mit Messer und Gabel sein.

Und was trinkt man jetzt so?

Wir haben Sommer, da geht es um leichte, spritzige Drinks — das Aperitif- und Wein-Thema find ich spannend. Drinks, die man auch mal am späten Nachmittag zu sich nehmen kann, wenn man im Büro den Stift fallen lässt und sich mit Freunden trifft. Etwa kräuterlastige Aperitifs auf Wermutbasis, die haben vielleicht 20 Prozent. Wenn man das mit einem Filler aufgießt, hat man einen relativ leichten, aber gehaltvollen Drink, bei dem man nicht aus den Schuhen kippt.

Niemand will und kann sich oft harten Alkohol hinter die Binde kippen

Was ist mit Drinks ohne Alkohol?

Wir merken, dass die Nachfrage immer größer wird. Wir sind ja international viel unterwegs und sehen das überall. Beim Bar Symposium Mitte Mai hatten wir die Betreiber der Virgin Mary Bar aus Dublin zu Gast, die sich zu hundert Prozent dem Thema widmen. Die Cocktails sind bis ins Detail durchdacht, das Geschmacksprofil, die aromatischen Ebenen ­stehen alkoholischen Drinks in nichts nach. Ein super spannendes Konzept, und es funktioniert — und das in der Trink-Metropole Dublin!

Was halten Sie davon?

So etwas bereichert unser Nachtleben, die Menschen leben halt immer bewusster. Niemand will und kann sich oft harten Alkohol hinter die Binde kippen. Es gibt auch Gäste, die auf einer Tour mal alkoholfreie Drinks einschieben, um mal durchzuschnaufen. Es muss kein Entweder-Oder geben, man muss nicht engstirnig werden. Beides hat seine Berechtigung.

Ist ansonsten Gin immer noch das große Thema?

Ja, seit bald zehn Jahren! Aber viele Produzenten promoten längst auch ihre alkoholfreien Gins. Die Nachfrage ist da. Auch bei Rum und Whiskey. Dazu dann handgemachte Sirupe — und man kann tatsächlich tolle, komplexe Drinks zaubern. Und uns macht das genau so viel Spaß, wie alkoholische Drinks zu kreieren.

Eines müssen wir unbedingt noch klären: Ist es wirklich okay, mit dem Barkeeper einen Plausch zu beginnen?

Auf alle Fälle! Es geht doch um Kommunikation! In der Pandemie haben viele die Bars vermisst, nicht weil sie sonst nichts zu trinken bekommen hätten, sondern weil der Austausch fehlte. Bars sind soziale Orte, es geht nicht bloß um Drinks.