Chemiestandort Leverkusen: Wohin mit Sondermüll und Giftwasser?

Sorgen und Entsorgung

Nach der Explosion im Chempark Leverkusen soll dort bald wieder Sondermüll verbrannt werden

Die staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen sind auch fast ein Jahr nach der Explosion im Leverkusener Chempark noch nicht ­abgeschlossen. Am 27. Juli 2021 kamen sieben Menschen ums Leben, als ein Tank explodierte. 31 weitere Menschen wurden teils schwer verletzt. Seit dem Unglück kann der im Chempark anfallende Sondermüll nicht mehr auf dem Gelände verbrannt werden. Der Betreiber Currenta lässt ihn zur Entsorgung unter anderem nach Dormagen transportieren. Aber bald soll die Müllverbrennungsanlage im Chempark wieder in Betrieb gehen. Ein Gutachten dazu wird in diesen Tagen vorgelegt.

Gutachter ist Professor Christian Jochem, Experte für Anlagensicherheit, der schon nach den Störfällen in der Shell-Rheinlandraffinerie in Wesseling und Köln-Godorf beauftragt wurde, wo sich seit 2012 Brände, Explosionen und Leckagen häuften und sich im Boden eine Million Liter Kerosin sammelten. Jochum soll nun Currenta beim Sicherheitsmanagement auf die Sprünge helfen. Unterdessen reißen Meldungen nicht ab, die Zweifel wecken, ob beim Chempark-Betreiber alles mit rechten Dingen zugeht.  

Ende 2021 stellte sich heraus, dass Havarie- und Löschwasser nach dem Unglück unbehandelt in die Kläranlage geleitet wurden. Im Januar dieses Jahres wurden bei einer Verpuffung vier Menschen verletzt, im Februar barst eine Rohrleitung und Chemikalien traten aus.

Gutachter Jochum hat ein ­»Begleitgremium« einberufen — handverlesen besetzt, mehrheitlich mit Vertretern des Konzerns und des Leverkusener Stadtrats, wo man sich zurückhält mit Kritik an Currenta. Das Gremium tagt per Videochat, unter Ausschluss der Öffentlichkeit, kritisiert Benedikt Rees von der Klima-Liste im Leverkusener Stadtrat. »Das sind recht kurze Treffen, bei denen man uns Mitteilungen macht«, sagt Rees. »Ich würde aber gern selbst was an die Hand bekommen, statt mir Untersuchungen referieren zu lassen. Bis heute wurden mir weder Protokolle noch Präsentationen zugeschickt.«

Man sei weder »Untersuchungsausschuss Currenta« noch »öffentliches Diskussionsforum«, man wolle »Themen und insbesondere Ängste und Sorgen aufnehmen«, heißt es auf der Homepage des Gremiums. Ziel sei das Gutachten zur »sicheren Wiederinbetriebnahme.« Eben das kritisiert Benedikt Rees. »Wir lehnen die Wiederinbetriebnahme ab.« Denn Wohngebiete seien zu nah, und außerdem würden zwei oberirdische Hochspannungsleitungen auf dem Gelände verbleiben. Gerade die aber hatten im Juli 2021 die Brandbekämpfung nach der Explosion  behindert.

Für Rees wirft das Gremium Fragen auf, statt Antworten zu ­geben. Da ist etwa die Sache mit dem Löschwasser: Nach dem Brand ist es teils ungenehmigt eingeleitet worden, noch immer befinden sich große Mengen auf dem Gelände. Wohin damit? »Zunächst hieß es, das solle in einer Sondermüllverbrennungsanlage entsorgt werden, jetzt höre ich im Begleitgremium, es könne mit Aktivkohle behandelt und über die Kläranlage in den Rhein geleitet werden. Das wäre der nächste Skandal«, so Rees, dessen Klima-Liste auch mit Umweltschutzorganisationen wie dem BUND zusammenarbeitet. Der BUND war es auch, der im Mai eine Veranstaltung organisierte, weil Currenta mehr Grundwasser fördern will. »Die wohlbegründete Vermutung ist, dass  Currenta noch mehr Wasser braucht, um Produktionsab­fälle so zu verdünnen, dass sie überhaupt in die Kläranlage eingeleitet werden können«, sagt Rees. Die Auen in Flittard seien durch die Grundwasserentnahme bereits stark geschädigt, warnt der BUND. Doch dem Antrag könnte die Bezirksregierung Köln noch im Mai stattgegeben.