Mehr als nur Event: Giegling-Partys

Frei, zeitlos, leicht und schön

Das DIY-Kollektiv Giegling kommt nach Köln

Die Geschichte dieses Kollektivs begann vor fast 15 Jahren in Weimar, wo es von Bauhaus-Studierenden gegründet wurde. Diese stolperten über ein leerstehendes Laden-Lokal, das ehedem der Firma Giegling gehörte. Das Lokal wurde Hauptzentrale, Ausstellungsort und Partylocation. Der Ansatz des Labels geht weit über »Wir legen auf und verschwinden dann wieder« hinaus: Ihre Nächte werden zu (Kurz-)Residencys, werden zu einem kulturellen Ereignis. Ausstellungen, Kooperationen vor Ort, wie zuletzt in Mexiko, oder halt Partys — das alles gehört zum Giegling Label dazu.

Kein Wunder, dass Giegeling schon lange als Premiumprodukt der Szene gilt. Ihre Platten sind bereits häufig vor ihrem Erscheinen ausverkauft; der Handel wird vornehmlich über die eigene Webseite gestaltet. Alles kommt immer aus dem Hause selbst: We call it Do It Yourself.

Am 25. und 26. Juni gastiert das Giegling-Kollektiv gleich mit neun Künstler:innen in Köln. Wir haben im Vorfeld mit Jan Barich (aka Map.ache) und Elvira Gumnishta (aka Elli) gesprochen.

Elli, Jan, ihr gehört nicht zur Gründer:innen-Generation von Giegling. Wie seid ihr dazuge­stoßen? Was bedeutet das ­Kollektiv für euch?

Elli: Ich habe Giegling über eine Freundin kennengelernt, die mich auf ein Festival auf einer kleinen dänischen Insel mitgenommen hat, das muss so circa 2010 gewesen sein. Damals hatte ich noch kaum etwas mit Techno/Electro zu tun. Bereits die Fahrt dahin fühlte sich geheimnisvoll an, man musste mit einem kleinen Boot auf die Insel übersetzen. Es war, als ob man durch ein Zeitloch schlüpfte — alles da fühlte sich frei, zeitlos, leicht und schön an.

Jan: An das Erlebnis kann ich mich auch sehr gut erinnern, ich habe das genauso empfunden. Wobei mein Zugang ein anderer war: Ich bin damals mit Alex Neuschulz (Sevensol) zum Auflegen hingefahren als Manamana. Zu der Zeit habe ich noch als Booker im Kulturzentrum Conne Island in Leipzig gearbeitet. Das ist der Ort, wo ich politisch und kulturell aufgewachsen bin. Alex, Dennis Knoof aka Bender und ich haben 2007 das Kann Label gegründet, das war die Zeit der Post-2000er-Underground-Techno-Labels wie Giegling, Smallville und eben Kann. Wir alle kamen aus unterschiedlichen Ecken Deutschlands, haben aber mit dem gleichen Ansatz Musik produziert und Partys veranstaltet. Dustin und Konstantin von Giegling kamen dann nach Leipzig, um uns zu treffen, da wir schon eine Platte draußen hatten, sie aber noch nicht. Sie brauchten Tipps. Ein wichtiger gemeinsamer Nenner, man könnte auch Vorbild sagen, ist für uns alle das Hamburger Label Dial, die diesen DIY-­Gedanken, den ich eher aus dem Indie-Kontext kannte, zum ersten Mal für mich sichtbar in die Technowelt reingetragen haben.

Du hast es angesprochen: Giegling steht für DIY im besten Sinne. Ihr agiert als diskutierendes Kollektiv, veröffentlicht größtenteils auf eurem eigenen Imprint, gestaltet das Artwork selbst und vertreibt die Platten über die eigene Website. Wie standet ihr zu DIY-Strukturen vorher?

Jan: Zu DIY-Strukturen hatte ich schon immer einen affirmativen Zugang, das hat bei mir mit meiner musikalischen Sozialisation angefangen:  mit Punk, Hardcore, Emo. Der Ansatz war aber für mich nie an ein Musikgenre gekoppelt, sondern auf alles, was man so macht, übertragbar. Es geht darum, wie man Dinge zusammen selber erschafft und so gut es geht unabhängig bleibt.

Elli: Ich habe früher eher mit Bands zu tun gehabt. Für mich fühlt sich Giegling wie eine Band an, wir alle spielen quasi unser Instrument, tragen etwas bei. Es gibt nicht den einen, der alles macht, sondern alle müssen da sein, ­damit das Gesamtbild entsteht.


Der Weg führt immer zur Party. Die Party weicht alles auf und heilt die Wunden.
Elli

Wie hat man sich den Entscheidungsprozess im Hause Giegling vorzustellen?

Elli: Natürlich gibt es auch Aus­einandersetzungen — es muss ja nicht immer harmonisch verlaufen —, aber selbst dann führt der Weg immer zur Party; die ­Party weicht alles auf, und heilt die Wunden.

Jan: Das unterschreibe ich total. Wobei es bei mir so ist, dass ich aus einem Plenum-Kontext komme. Im Conne Island habe ich freiwillig 20 Jahre lang jeden Montag Abend um 18 Uhr Plenum gehabt. Da habe ich die Vorzüge des Miteinander-Reden gelernt, des Austauschens — aber auch zu merken, wie anstrengend es ist, immer alles aus unterschiedlichen Blickwinkeln auseinander zu nehmen und zu diskutieren. Für einen definierten Kulturbetrieb wie einen Club ist das völlig sinnvoll und war für das Ergebnis immer sehr wichtig. Giegling ist da für mich eine Art Gegenmodell. Es wird nicht alles ausdiskutiert bis ins Kleinste. Es geht mehr um das blinde Vertrauen auf die Kraft ­jedes Einzelnen samt der Eigenverantwortung, dass alle was geben können und wollen. Wir konzentrieren uns auf das, was wir am besten können und worauf wir am meisten Lust haben. Giegling ist ein Experiment, wie Sachen automatisch auch im Kollektiv funktionieren können — auf der Basis gemeinsam das Beste herauszuholen. So entsteht aus den einzelnen Bausteinen die gemeinsame Dynamik.

Für die Veranstaltung von Partys klingt das sehr nachvollziehbar. Aber wie sieht es beim Label aus?

Elli: Bei der Musik wird der Kanal enger. Da sind es immer zwei, drei, die den Weg bestimmen. Wenn die nicht weiter kommen, werden die anderen nach ihrer Meinung gefragt. Damit sind alle total zufrieden. Es gibt wirklich viele ­Sachen, mit denen ich nichts zu tun haben will, ich bin insofern sehr dankbar, wenn ich ohne schlechtestes Gewissen da nichts beitragen muss.

Jan: Das beißt sich ja nicht. Das ­bestätigt nur, dass es einen Teil der Gruppe gibt, der gut darin ist, Musik zu kuratieren. Aus der ­Musikperspektiven kann ich sagen, dass die Art und Weise, wie detailliert sich bei Giegling mit mir und der Musik auseinandergesetzt wird, ein weiterer Grund ist, warum ich so dankbar bin, Teil ­davon sein zu können.

In Köln gehören neben den klassischen Giegling Künstler:innen noch Lawrence von Dial und Isolee zum Line-up, nach welchen Kriterien werden solche Einladungen ausgesprochen?

Elli: Isolee ist aus Hamburg. Man trifft sich auf der Straße und ­unterhält sich, da fühlt sich die ausgesprochene Einladung sofort selbstverständlich an. Das hat nichts von einer ­Booking Agency.

Jan: Die Gründer von Giegling als auch wir bei Kann waren große Dial Fans. Es fühlt sich schön an, dass das verschmilzt.