Frühwerk eines Meisters: »Bound for the Fields, the Mountains, and the Seacoast« von Ōbayashi Nobuhiko © 1986 Toho Co., Ltd, / Nippon Television Network Corporation / VAP INC. All Rights Reserved.

Im Meer des Exemplarischen

Filme über Jugendliche aus Japan

Der Juni präsentiert sich als Trümmerhaufen: Hier ein Film, da ein Film, aber so richtig etwas Substantielles findet sich kaum. Wer weiß, was noch so nach Ladenschluss kommt, aber bislang hat allein das Japanische Kulturinstitut etwas Größeres zu bieten: eine Reihe zu Jugend im Film (wie immer: Eintritt frei!). Ein weites Feld, in dem man aus dem Vollen schöpfen kann. Es wird folglich auch nur Allerfeinstes geboten, aber alles driftet im Meer des Exemplarischen vor sich hin. Will sagen: Jeder Film ist unbedingt guckbar, doch dabei bitte nicht auf einen sich daraus ergebenden Mehrwert hoffen. Weswegen es auch so schwer fällt, auf ein, zwei, drei Werke gesondert hinzuweisen.

Wir preisen schon seit Dekaden auf diesen Seiten Ōbayashi Nobuhiko, weil das Japanische Kulturinstitut dessen Schaffen konstant präsentiert hat. Zu sehen sind diesmal zwei Arbeiten aus seinem Frühwerk: »Fräulein einsam« (1985) erzählt von einem Jungen, der mit zwei Versionen desselben Mädchens — die eine ist echt, die andere eine Art Halluzination oder Geist — konfrontiert wird. Ein Jahr später in »Bound for the Fields, the Mountains, and the Seacoast« (1986) versucht ein Bube im Vorkriegs-Japan seine Schwester vor dem Verkauf in ein Bordell zu bewahren — einmal Fantasy und einmal Realismus also, soweit man dieses Wort bei diesem Gott der Grenzgänge zwischen den Genres verwenden kann.

Mit Hasegawa Kazuhikos existentialistischem Portrait eines Verlorenen, »The Youth Killer« (1976), gibt es ein Kanonstück zu bewundern, das diese historische Herausstellung ausnahmsweise mal wirklich wert ist — wer sich für japanisches Kino interessiert, sollte die­sen Film unbedingt gesehen haben. Wenn letzteres Werk eine Übung in zugespitzt düsterem Rea­lismus ist, dann offeriert Avant­garde-Ikone Terayama Shūjis »Pas­toral: To Die in the Streets« (1974) eine rein allegorisch-phantasmagorische Vision von der Welt — ein Schwelgen im schönen Wahnsinn.

Und was gibt es sonst noch außerhalb des Japanischen Kulturinstituts? Der Filmclub 813 zeigt Ende Mai Mario Monicellis herrlich kryptofeministische Commedia all’italiana »Mit Pistolen fängt man keine Männer« (1968) zu Ehren der im Februar verstorbenen Monica Vitti. Außerdem im Programm: Lachezar Aramovs knallige EU-Korruptions­farce »Yellow Oleander« (2021), die hier auch nur auftaucht, weil sie aus Bulgarien ist — da kann kein Film je zu neu sein.

Infos: jki.de; filmclub-813.de