Profi in jeder Situation: Léa Seydoux

»France«

Bruno Dumont seziert die moderne Medienwelt mit ­einer schillernden ç in der Titelrolle

France de Meutre hat alles im Griff. Die Starjournalistin ist als Moderatorin eines Nachrichtenmagazins das Aushängeschild ihres TV-Senders. Selbst wenn sie aus Krisengebieten berichtet, weiß sie sich so zu inszenieren, dass das jeweilige Umfeld zum Hintergrund ihrer Selbstdarstellung wird. Die Fassade stimmt, auch die als Ehefrau und Mutter, eine Rolle, die sie ebenso effizient und abgeklärt erfüllt. Bis ihr alles entgleitet. Ein unachtsamer Moment am Steuer und ein daraus resultierender Auffahrunfall genügen, um ihr Leben aus dem Gleichgewicht zu bringen. Dabei hat der Geschädigte nur eine leichte Knieverletzung, doch bei France löst das eine Existenzkrise aus. Oder ist es nur die negative Presse, die ihr Image und damit ihr Selbstwertgefühl angekratzt hat? Alltägliche Kleinigkeiten bringen sie bald so aus der Fassung, dass sie sich aus dem Rampenlicht zurückzieht. Doch was bleibt, wenn der Sinn des Lebens die Aufmerksamkeit anderer ist?

Der neue Film von Bruno Dumont (»L’Humanité«, »Die feine Gesellschaft«) ist eine merkwürdige Mischung aus Mediensatire, Melodram und Liebesgeschichte, deren Tonfallwechsel zwischen ätzend, albern und dramatisch, immer wieder irritieren — im besten Sinne. Das liegt auch an der höchst widersprüchlichen Hauptfigur, aus der man nicht schlau wird, auch wenn die Kamera oft lange auf Léa Seydouxs Gesicht in Großaufnahme verweilt. Tränen fließen dabei viel, meist sind sie falsch und manchmal womöglich echt. Irgendwann kennen weder Publikum noch Protagonistin den Unterschied, auch weil Seydoux diese Momente so faszinierend schillernd spielt.

Am prägnantesten seziert Dumont in diesem Potpourri der Genres die moderne Medienwelt zwischen Promiwahn und Selbstdarstellung. Ständig will jemand ein Selfie mit France machen, selbst in der Reha-Klinik in den Schweizer Alpen, wo sie sich eine Auszeit erhofft. Hier begegnet sie endlich einem jungen Mann, der nicht zu wissen scheint, wer sie ist. Zunächst ungläubig, verliebt sich France Hals über Kopf, doch das Glück ist nur von kurzer Dauer. Oder womöglich nicht, erneut schlägt »France« da mehr als einen Haken. 

F/D/I/B 2021, R: Bruno Dumont, D: Léa Seydoux, Blanche Gardin, Benjamin Biolay, 130 Min.