Sterben als Teil des Lebens: Gina Haller, Elsie de Brauw, © Grandfilm

»Zum Tod meiner Mutter«

Jessica Krummachers Film über das Abschiednehmen ist lehrreich — und schmerzt

Von der Zeit des Sterbens und Abschiedsnehmens handelt Jessica Krummachers zweiter Spielfilm »Zum Tod meiner Mutter«. Der Film, der eng an persönliche Erfahrungen der Regisseurin angelehnt ist, begleitet Juliane (Birte Schnöink), deren Mutter Kerstin (Elsie de Brauw) nach langer Krankheit den Lebenswillen verliert. In einer Art Sterbehilfekammerspiel erforscht Krummacher sanft, aber schonungslos die Begegnungen von Menschen, die Abschied nehmen müssen. Vor allem die beiden Hauptdarstel­lerinnen meistern die schier ­unmögliche Aufgabe, den sich anbahnenden Tod in den kleinsten Gesten und Blicken greifbar zu machen.

Das schmerzt. Da darf man sich nichts vormachen. Wer nach eskapistischen Wonnen sucht im Kino, wird nicht fündig in diesem Film. Eine Schwere lastet auf allen gefilmten Gesichtern, Sätze dringen nur unwillig aus den Mündern, Tränen benetzen das, wofür es keine Worte gibt. Krummacher lässt ihren Film zwischen den Gefühlen und Reaktionen verharren — Kummer, Resignation, körperliche Abwehr, aber auch Zärtlichkeit und eine langsam wachsende Weisheit im Angesicht des Unausweichlichen.

Sämtliche Register des Spröden im deutschen Kino werden bedient; der Film plätschert dumpf, entrückt und konsequent dahin. Mit Nüchternheit entgeht Krummacher dem Lächerlichen, das jedem Versuch, das Sterben zu filmen, ­gemein ist. Sie lädt den Kummer nicht auf, führt keine Debatte um Sterbehilfe. Derart gelingt es ihr, das Sterben unverstellt in seiner Gegenwart zu betrachten.

Die Filmemacherin registriert, wenn Menschen plötzlich das Thema wechseln, um nicht über das Sterben zu sprechen, kreative Ansätze des Abschiednehmens (ein Tanz und vorgelesene Briefe) oder die befreiende Wärme gemeinsamer Erinnerung. In diesem Sinn beschreibt »Zum Tod meiner Mutter« auch eine Parallelwelt, in die das Sterben in westlichen Gesellschaften geschoben wird. Doch das Tabu bricht im Film langsam auf. Der Tod wird nicht abstrahiert. Er existiert als Teil des Lebens. Derart lehrt der Film einen anderen, bewussteren Umgang mit dem Sterben. Manchen wird das helfen, andere werden darauf warten, bis das Leben selbst sie damit konfrontiert.

D 2021, R: Jessica Krummacher, D: Birte Schöink, Elsie de Brauw, 134 Min.