»All Right. Good Night«: Rimini Protokoll über das Verschwinden, © Merlin Nadj Torma

Lovesongs und Kompliz*innen

Das Impulse Festival bringt die Freie Szene nach zwei Jahren Pandemie zurück auf die Bühne

Am 8. März 2014 verschwand über dem Indischen Ozean Flug MH370 von den Radaren. Im ­selben Jahr begann der Vater der Regisseurin und Autorin in die Demenz zu verschwinden. »All Right. Good Night.« heißt das Stück von Helgard Haug, Mitbegründerin der Künstler*innen-Gruppe Rimini Protokoll: Ein poetischer, berührender Text, der die beiden Geschichten miteinander verwebt, mit Musik von Barbara Morgenstern, die vom Zafraan ­Ensemble live auf der Bühne gespielt wird. Das Stück »über Verschwinden und Verlust«, wie es im Untertitel heißt, hat es in die renommierte 10er-Auswahl des Berliner Theatertreffens geschafft und ist nun beim Impulse Festival zu erleben, einer der wichtigsten, deutschsprachigen Plattformen der »Freien Darstellenden Künste«.

Die haben in den letzten beiden Jahren der Pandemie besonders gelitten, umso imposanter, hofft man, wird nun ihre Rückkehr sein. Neun Produktionen wurden für den Showcase, also das Programm des Festivals ausgewählt. Im Ringlockschuppen in Mülheim an der Ruhr kommen sie auf die Bühne. Darunter: »Lovesong« von Daniel Dominguez Teruel, der die deutsche Nationalhymne erklingen, die schwarz-rot-goldene Fahne durch die Luft fliegen lässt — und dann die Hymne verwebt mit anderen Stoffen, bis naive Ergriffenheit keine Chance mehr hat. Oder »The Kids Are Alright« von Simone Dede Ayivi und Kompliz*innen, eine Videoinstallation, die Stimmen von sechs Menschen mit unterschiedlichem Migrationserbe versammelt. Sie erzählen von Generationenkonflikten, politischen Kämpfen und Zukunftsvisionen. »Unsere Kinder sollen es einmal besser haben, sagten die Eltern, als sie nach Deutschland kamen — und sahen dann ihre Kinder mit Rassismus aufwachsen.«

Fernab vom Ringlockschuppen, auf einer Brache in Düsseldorf, entsteht während des Festivals eine Kopie des New Yorker Guggenheim Museums. Zusammen mit Anwohner*innen entwickelt die Künstler*innen-Gruppe God’s Entertainment Kunstwerke, die sich mit städtischem Wohnen in Zeiten von Immobilienspekulationen beschäftigen. Und in Köln? Hier findet in der TanzFaktur und in Kooperation mit der Studiobühne die Akademie statt. Am ersten Festivalwochenende geht es um Sicherheit und Konfron­tation im Theater, am zweiten darum, welche Formen die Zusammenarbeit von Kunst und Aktivismus in den darstellenden Küns­ten annehmen kann.

impulsefestival.de