Stadt der Tiere

Über Kölns Straßen huschen die Füchse, auf Friedhöfen nisten Greif­­vögel und in den Parks Papa­geien. Was hat dazu geführt, dass so viele Wildtiere die Stadt für sich entdecken? Und wie schützens­wert ist diese Entwicklung? Wir haben mit Experten gesprochen und sind mit der Kamera auf die Pirsch gegangen.

Vor ein paar Jahren haben wir den Historiker Dirk van Laak interviewt. Gerade war sein Buch »Alles im Fluss« zur »Geschichte und Zukunft der Infrastruktur« ­erschienen, das sich zum Überraschungserfolg mauserte. Infrastruktur ist in den Zeiten von Klimawandel und Verkehrswende, ein Thema, das in der Öffentlichkeit widerhallt. Van Laak hatte auch zur Kölner Infrastruktur geforscht. Das Besondere, sagte er, sei zunächst ihre beeindruckende, bis in die Römerzeit reichende Kontinuität. Aber vor allem sei Köln ein infrastruktureller Knotenpunkt, in dem sich alle bedeutenden Verkehrsformen der Gegenwart — Straße und Schiene, Luftfahrt und Schiffsverkehr — auf engstem Raum kreuzen. Es gebe nicht viele Städte in Deutschland, bei denen das der Fall sei. Köln — Inbegriff der Urbanität!

Infrastruktur erscheint als Gegenbegriff zur Natur. Sie ist menschengemacht, dient dem Transport von Waren und der Verbindung von Menschen über weite Distanzen. Für Infrastruktur wird Natur geopfert: Autobahnen schlagen Schneisen durch Wälder, für Containerschiffe werden Flüsse vertieft. Natur wird zum Accessoire, zum Grünstreifen, zum Naherholungsgebiet, zum Park, der ein Stadtviertel aufwertet und von Immobilienbesitzern als Vorwand benutzt wird, um die Mieten zu erhöhen. Stadt und Natur — das schließt sich zwar nicht aus, aber Natur hat sich gefälligst funktional zum Stadtleben zu verhalten, darf nicht stören, nicht den Verkehr aufhalten und keinem neuen Gewerbegebiet im Weg stehen.

Der Jungwolf in Ehrenfeld

Aber so ist es nicht. Die Urbanität bringt eine eigene Natur hervor, die sich vom Menschen nur oberflächlich ­kontrollieren lässt. Was wie der Triumph menschlichen Planungsgeistes aussieht, eröffnet zahllosen Tieren neue Lebensräume — ungeplant und unvermeidlich.

Ein Wolf, den wir in Ehrenfeld gesehen haben, stammt aus der alpinen Population. Er hat mindestens 650 ­Kilometer zurück­gelegt
Michael Hundt

Dann bricht die Natur in das wohlgeordnete Gefüge der Infrastruktur ein und nimmt so lautlos wie selbstverständlich ihren Platz ein. »Mein ungewöhnlichstes Tiererlebnis in Köln? Letztes Jahr Pfingsten der Wolf, der durch Köln gepirscht ist,« sagt Förster Michael Hundt. »Ich hätte davor jeden, der mir erzählt hätte, es würde im linksrheinischen Teil der Stadt ein Wolf durch die Innenstadt laufen, für verrückt erklärt.« Hundt, 54 Jahre alt, ist seit 1993 einer von zwei städtischen Förstern, er ist für die linksrheinischen Gebiete zuständig. »Bis heute bin immer noch erstaunt ob des Verhaltens dieses Wolfs. Wir hatten damals den Lockdown – davon hat der Wolf profitiert«, erzählt Hundt. »Der Wolf hat sich auf dem Gelände der Rheinenergie filmen lassen. In den frühen Morgenstunden hat er in Merkenich vier Schafe gerissen, in der Nacht darauf noch mal zwei, und dann ist er genauso spurlos verschwunden, wie er gekommen ist.« Man habe anhand von Speichelproben feststellen können, dass es ein junges, männliches Tier sei, sagt Hundt. Was nicht ­außergewöhnlich sei, denn die jüngeren Wölfe würden, wenn sie halb erwachsen seien, von den Älteren im Rudel vertrieben und suchten sich ihren eigenen Bereich, so Hundt. »Lebensräume für Wölfe haben wir im linksrheinischen Stadtgebiet keine. Aber schon am Nordrand des Ruhrgebiets gibt es ein Rudel, das da schon seit längerem lebt.« Das Tier kam aber nicht aus der westfälischen Nachbarschaft. »Der Wolf, den wir in Ehrenfeld gesehen haben, stammt aus der alpinen Population, also aus Südeuropa. Diese halbstarken Wölfe laufen riesige Entfernungen, in unserem Fall mindestens 650 Kilometer.« Es habe Wölfe gegeben, sagt der Förster, die in einem halben Jahr aus Mecklenburg-Vorpommern nach Belgien gelaufen seien und dabei immer wieder in städtischen Ballungsgebieten auftauchten. »Die sind bei Niedrigwasser durch den Rhein geschwommen«, so Hundt.

Über Wildtiere in der Stadt ist in den vergangenen Jahren viel geredet worden: In Köln sieht man die Füchse nachts an Straßenecken und in Grünanlagen. Längst zur Folklore geworden sind die Halsbandsittiche in den Parks. Dachse graben Friedhöfe um, im Rechtsrheinischen wagen sich die Wildscheine immer weiter in die bebauten Randbezirke vor, wühlen in Gärten und stöbern in Müllcontainern. In den Rheinauen, vor allem in Bonn, erfreuen sich Familien an eigenartigen Bibern, die in Wirklichkeit Biberratten sind: Nutrias. Es sind träge, gemütliche, irgendwie süße Tiere, aber mit unglaublich starken Kiefern, mit denen sie große Äste durchbeißen. Wer Nutrias streichelt, wird eine böse Überraschung erleben. »Nutrias werden gejagt«, sagt Kathrin Lampert, Zoologin an der Uni Köln. »Sie graben die Wurzeln des Röhricht aus, vernichten viel Uferböschung und graben sich in die Dämme rein.« Nutrias seien eine invasive Art, ein Neozoon, Gewinner der Globalisierung, allerdings mit negativem Einfluss auf das einheimische Ökosystem.

Andere Tiere sind dagegen Kulturfolger und begleiten die Menschen buchstäblich auf Schritt und Tritt, etwa Ratten. Aber auch Füchse gehören dazu, sie sind keine neue Erscheinung im Stadtleben. Doch weil sie als Überträger der Tollwut galten, sind sie im städtischen Raum fast ausgerottet worden; erst seit zwanzig Jahren nehmen die Populationen wieder zu.

Der Eisvogel in Lindenthal

Zu Neozoen wiederum zählen: die Kanada-Gänse (die in Kanada gar nicht in den Städten leben), die Wildkaninchen (die aus Spanien stammen), die Waschbären (zum Glück sind bislang nur wenige in Köln heimisch geworden) — schließlich die notorischen Halsbandsittiche. Und das seit fast sechzig Jahren!

»Es wird ja immer noch behauptet, die Halsbandsittiche stammten ursprünglich aus dem Kölner Zoo«, sagt Sven Meurs. »Aber da gab es nie Halsbandsittiche. Die ersten sind 1963 oder 1964 bei einem privaten Züchter ausgebrochen.« Sven Meurs hat als Fotograf in den vergangenen Jahren wesentlich dazu beigetragen, die Großstadt als Lebensraum für Tiere einem erstaunten Publikum vorzustellen. »Wenn ich früher Natur fotografiert habe, habe ich mich häufig geärgert: Immer war was mit auf dem Bild, das der Mensch gemacht hatte — ein Verkehrsschild, die Straße, Fahrzeuge, Laternen. Aber das gehört ja mit zur Natur in der Stadt!«

Lange Jahre hat Meurs in Köln gelebt und hier seine ersten spektakulären Fotos geschossen. »Mitten in Lindenthal habe ich im Winter Eisvögel beobachtet!« Sein Highlight. »Eisvögel sind schwer zu erwischen. Der Eisvogel hat eine Fluchtdistanz von 70, 80 Metern, das ist unglaublich viel. Den kriegst du in einer Stadt, wo ja immer Menschen und Autos unterwegs sind, kaum zu sehen.«  Es habe acht, neun Jahre gedauert, bis Meurs den Vogel entdeckt habe, und dann noch mal zwei, drei Jahre, bis alles für ein gutes Foto gestimmt habe, sagt er. Manchmal dauert es nur sechs Wochen, bis Meurs seine Fotos schießen kann. Das war bei einer Reihe von Fuchs-Porträts der Fall: »Nach sechs Wochen wusste der Fuchs, wer ich bin. Der hatte mich oft genug gesehen, kannte meinen Geruch, wusste, wie ich mich bewege.« Meurs erzählt, dass er immer zu denselben Uhrzeiten gekommen sei und immer dieselben Wege genommen habe. »Da wurde ich dann nicht mehr als Bedrohung wahrgenommen«, erklärt er. »Irgendwann, als der Fuchs sich schon an mich gewöhnt hatte, bin ich mit meinen Kindern gekommen. An denen hat sich der Fuchs überhaupt nicht gestört, er hat sie mit mir in Zusammenhang gebracht, wusste, dass die zu mir gehören, und dann war alles okay. Er ist nicht weggelaufen.«

Die Füchse auf dem Herkulesberg

Meurs lebt mit seiner Familie mittlerweile am Stadtrand von Darmstadt, sein Fokus hat sich verschoben, für sein neues Buchprojekt sucht er »Deutschlands letzte Wildnis«. Auch in Köln haben ihn die Wälder am Stadtrand begeistert — und die Wahner Heide: »Von der bin ich immer noch angetan, weil ich den Kontrast so stark finde: auf der einen Seite ein wirklich außergewöhnliches Naturschutzgebiet, mit Schlangenadlern, vielen Reptilien, Hirschen, das auf der anderen Seite direkt an den Flughafen grenzt. Die Tiere haben sich daran gewöhnt, dass die Flugzeuge im Minutentakt starten.« Und sein Lieblingsort in der Innenstadt? »Vor allem das Rheinufer, besonders morgens um drei Uhr, da sieht man die Füchse, wie sie ihre Jungen füttern.« Wo sind denn in der Innenstadt die Füchse ungestört? »Sie brauchen Rückzugsorte, und die finden sie auf den Grünflächen der Autobahnzubringer«, sagt Meurs. »Es gibt auch verlassene Schrebergärten. Wir achten für gewöhnlich nicht darauf, aber es gibt so viele kleine Grünflächen — ein größeres Gebüsch, ein Grünstreifen an einer Straße, wo gerade kein Haus in der Nähe ist, an Eisenbahnlinien.« Rund um den Hansaring gebe es viele solcher Ecken. »Am Klingelpütz war jahrelang ein Fuchsbau. Für Menschen sind diese Ecke unscheinbar und ohne Nutzen, für Füchse nicht«, so Meurs. »Vom Herkulesberg kann ein Fuchs schnell mal in den Park huschen und sich die Grillreste holen.«

Die Tiere eignen sich die städtische Infrastruktur an, gewöhnen sich an Lärm, Helligkeit und Menschenmassen, entfalten ihr eigenes Leben. Das ist es wohl, was viele Großstädter an den Wildtieren mitten unter ihnen fasziniert: dass die Ordnung aus Arbeit, Wohnen und Verkehr, die sie geschaffen haben, eine ungezügelte, geheime, eigensinnig Rück­seite hat.

Die Tiere haben sich daran gewöhnt, dass die Flugzeuge im Minutentakt starten
Sven Meurs

»Aber wieso muss man Natur als Gegensatz zur Stadt sehen?«, fragt Kathrin Lampert. »Sie finden doch kaum noch unberührte Natur, selbst in der Antarktis können Sie Plastik finden.« Wir leben nun mal im Anthropozän: dem Erdzeitalter, in dem der Mensch und seine Lebensweise über die weitere Entwicklung der Erde entscheiden. Der Mensch verändert die Natur unwiderruflich, aber es bringt die Natur nicht zum Verschwinden, im Gegenteil. Ist die hochzivilisierte Stadt vielleicht sogar der Gipfel der Natur? »Eigentlich sind die Städte von den Tieren, aber auch den Pflanzen her gesehen, diverser als das Land«, sagt Kathrin Lampert. »Wir haben auf dem Land große Felder mit einer Kornsorte, einem Gemüse. Große Flächen, die sehr monogen bepflanzt sind. In der Stadt haben wir hingegen viele verschiedene Lebensräume auf sehr kleinem Raum.« In der Stadt pflanze man an, was ­einem gefalle und nicht das, wovon man leben müsse, sagt die Zoologin. »Das heißt, es werden viel weniger ­Pestizide eingesetzt, es müssen keine Erträge gesteigert werden, davon profitieren die Tiere.« Vor allem die Insekten. Es gibt sogar bienenfreundliche Pflanzen: Man kann schon auf seinem eigenen Balkon etwas für die Biodiversität un­ternehmen.

Aber nicht nur da. Mittlerweile gilt schon der Neumarkt als Biosphäre mit vielen, durchaus un­gewöhn­lichen Insektenarten. Tiere finden in Städten große Abwechslung — Hochhäuser, die Felsenbrüter-Vögeln wie ­Gebirgsschluchten vorkommen, Grünstreifen, Plätze, Gärten. Auf dem Dom nisten Falken, und auf ­Ampeln Meisen. Wildtiere haben in der Stadt kaum natürliche Feinde.

Der Moskito in der U-Bahn

Kathrin Lampert ist an der Universität auch Lecturer für Ökologie und Evolution. Prägt die Großstadt eine eigene Evolution? Immerhin kann man schon jetzt beobachten, dass Stadttiere nicht raus aufs Land gehen und Landtiere umgekehrt nicht in die Stadt — Graugänse sieht man in Köln nicht. Eine Kölner Krähe würde auf dem Land nicht einen Tag überleben, weil sie keinen Räuberdruck mehr kennt. Dafür singen die Vögel in Köln lauter und auch andere Melodien, um sich gegen den Straßenlärm durchzusetzen. Aber ergibt diese Anpassung schon eine Evolution? »Wir leben viel zu kurz, um eine wirkliche Anpassung zu beobachten.« Aber dann fällt Lampert eine neue Moskito-Art ein, die in der U-Bahn von London entstanden ist und auch nur dort lebt.

Ortstermin Stadtbahnhaltestelle Escher Straße. Von hier aus lässt sich ein schöner Rundweg gehen, der fast ausschließlich durch Parks verläuft: Zuerst der Blücherpark, dann geht es über eine große Wiese zwischen Escher- und Robert-Perthel-Straße, über die Autobahn führt eine Brücke in den Ossendorfer Bürgerpark, von hier aus laufen wir zum Rochuspark, der in den Takupark übergeht, ein Grünstreifen entlang einer Kleingartensiedlung führt uns bis zum Lenauplatz — erst hier hat uns die Stadt wieder. Die Verbindungswege zwischen den Parks führen meist durch begrünte Kleingartenkolonien oder überraschend großzügig bebaute Reihenhaussiedlungen. Selbst unter der Woche sind viele Familien unterwegs, picknicken, Hunde kläffen. Keine Chance, Wildtiere zu entdecken. Aber wir bewegen uns in ihrer Struktur, denn der Übergang von Parks zu Grünflächen und Plätzen und wieder zurück in den Park ist für die Tiere ideal. »Die vorhandenen Grünstrukturen müssen untereinander vernetzt bleiben. Verinselung der Grünflächen führt zur ­Artenarmut«, appelliert Förster Michael Hundt an die Stadtplanung. Eine Stadt, die freundlich zu ihrer tierischen Population ist, die ihre »natürliche« Diversität als Beitrag zum Klimaschutz verstehe, müsse dem auch in der Stadtplanung Rechnung tragen, sagt Hundt. Das bedeute: Mehr Grünflächen zwischen den Wohnanlagen, Renaturierung versiegelter Böden, mehr Hecken, ein­heimische Pflanzen, die Baumbestände stärker mischen, tote Bäume auch mal stehen lassen, weil in ihrem Schatten neues Leben beginnt. »Das Risiko von Schadereignissen bei großen Monokulturen ist über­proportional hoch. Wir haben in Köln das Glück, dass die vorangegangene Förstergeneration stark auf Mischpopulationen gesetzt hat. Wir haben so gut wie keine Fichtenbestände. Bei uns hat es durch Borkenkäfer kaum flächige Ausfälle gegeben.«

Der Planet der Kakerlaken

Die Natur der Stadt, die mindestens indirekt ein Produkt des Menschen ist, setzt deshalb den menschlichen Eingriff voraus, um zur Stadt der Natur zu werden. Das gilt etwa für eine Kontrolle der invasiven Arten, sofern das überhaupt noch möglich ist. »Nil- und Kanadagänse haben sich massiv und aggressiv ausgebreitet. Das ging auf Kosten unserer Entenfauna«, klagt Hundt. »Die Nilgänse kämpfen rabiat um Brutlebensräume und verscheuchen die Enten. Ich habe erlebt, dass im Lindenthaler Tierpark Enten von den Nilgänsen erschlagen wurden, weil diese mit ihnen ums Futter konkurriert haben.«

Dabei ist Futterkonkurrenz noch nicht mal das größte Problem, meint die Zoologin Kathrin Lampert. »Invasive Arten bringen Krankheiten mit, gegen die die heimischen Arten keine Abwehrkräfte haben.« Und wenn wir es einfach laufen ließen? Irgendwann würde sich doch die Ausbreitung der Neozoen selbstlimitieren. »Wie lange wollen Sie warten, hundert Jahre, zweihundert?«, sagt Lampert und lacht. Sie gibt ein Beispiel: der asiatische Marienkäfer. »Der droht die achtzig Marienkäfer-Arten, die bei uns normalerweise vorkommen — oder vorgekommen sind —, fast vollständig zu verdrängen. Dann haben wir nur noch eine Art. Wenn die dann eine Krankheit befällt, haben wir gar keine mehr.« Gibt es keine Marienkäfer mehr, kommt die Blattlaus-Plage. Das Öko-System kippt, und das ist nach menschlichen Maßstäben unwiderruflich. Der ­einzige Schutz vor durchschlagenden Krankheiten ist ­Diversität.

Es sei denn, wir stellten uns auf den Standpunkt der Ewigkeit, so Lampert. »Dann gilt, brutal gesagt: Massenaussterben kann auch eine Chance sein. Säugetiere profitierten einst vom Dinosauriersterben.« Wenn die Menschen und die von ihnen geschaffene Natur verschwunden wären, wäre es eben der Planet der Kakerlaken.


Invasive Arten ­bringen Krankheiten mit, gegen die die heimischen Arten keine Abwehrkräfte haben
Kathrin Lampert

»Wir sind mehr von der Natur abhängig als wir glauben — gerade im Kleinen«, sagt der Fotograf Sven Meurs. Das solle der Leitsatz sein, mit der wir Flora und Fauna in der Stadt begegnen, meint er. Meurs ärgert, dass viele Menschen Tiere bloß idyllisch-naiv betrachteten. »Wir müssen aufhören, diese Tiere wie Haustiere zu behandeln. Die sind wild und bleiben es auch.« Mittlerweile gibt es in Köln das Genre der Fuchs-Anekdoten. Einem Fahrer der KVB soll es gelungen sein, in seiner Mittagspause mit seinem Pausenbrot einen Fuchs in den Bus zu locken. Besonders die Füchse, intelligente, anpassungsfähige Tiere, profitieren von der Begeisterung der Kölner für das Tierleben ihrer Stadt. Allerdings: »Wir haben mit ihnen jetzt das Problem, dass sich die Population so vergrößert hat, dass Krankheiten, die auftreten, sich schneller verbreiten«, sagt der Förster Michael Hundt. »Wir beobachten die Räude bei den Füchsen, auch dieses Jahr habe ich schon eine Handvoll räudiger Füchse erlegt und eingesammelt. Auch Staupe kommt vor, und die ist ein Risiko für Haustiere.« Aber das seien noch kleine Probleme — im Vergleich zu den Dürren der vergangenen Jahre.

Der Rothirsch in der Wahner Heide

Köln hat sich seit 2000 Jahren kontinuierlich, aber auch durchzogen von vielen Brüchen und Verwerfungen, weiterentwickelt. Das lässt sich an seiner komplexen Infrastruktur ablesen, die der Kommunalpolitik regelmäßig über den Kopf wächst und die Historiker und Soziologen fasziniert. Aber Infrastruktur und Natur gehören zusammen. Was die eine besonders macht, gilt auch für die andere Seite: die Komplexität der städtischen Fauna, ihre Kontinuität, ihr Eigensinn faszinieren. Was also macht das Kölner Tierleben so einzigartig? Das Schlusswort gehört Michael Hundt: »Viele machen sich kein Bild davon, wie viel Natur es in Köln gibt. Köln ist die waldreichste Großstadt in Nordrhein-Westfalen. Wir haben hier fast alle nicht auf die Nordsee oder die Alpen angewiesenen Wildtiere, die in Deutschland vorkommen, auch im Stadtgebiet selbst. Rothirsche leben in der Wahner Heide und im Königsforst. Wir haben hier sämtliches Wassergeflügel, kleinere Beutegreifer, bis hin zu Weichtieren, die am Rhein leben, seltene Vögel wie der Wiesenpieper, der in der Rheinaue brütet. Wir haben den Priol, die Nachtigall, selbst den Kuckuck höre ich noch ab und zu.«