»Informationen vorenthalten«: Bedrohte Bäume im Grüngürtel

Vor lauter Bäumen

Zum Schulbau am Grüngürtel gibt es einen Kompromiss. Doch glücklich ist darüber niemand

Mitte Juni trifft sich das Bündnis Grünsystem zu einem »Protestpicknick« im Inneren Grüngürtel, noch immer sucht man nach Möglichkeiten, den Bau noch zu stoppen. Doch die Chancen stehen schlecht: Auf dem Außengelände zweier städtischer Kitas am Venloer Wall und angrenzend an den Inneren Grüngürtel wird ein Modulbau entstehen, in den nacheinander sechs Grund- und Förderschulen aus der Innenstadt einziehen sollen — übergangsweise, damit die maroden Schulen saniert werden können. Dafür müssen Bäume gefällt werden, die teils zum Grüngürtel gehören.

Schon im vergangenen Jahr hatte sich gegen das Vorhaben Protest geregt. Die Elternbeiräte der Kitas und die Bürgerinitiative hatten die Politik aufgefordert, den Bau zu stoppen und nach Alternativen zu suchen. Im Dezember scheiterte eine entsprechende Bürgereingabe. Im Mai beschäftigte sich der Schulausschuss erneut mit dem Bau. Denn statt der von der Verwaltung genannten Zahl von 13 zu fällenden Bäumen tauchten plötzlich 63 im Fällantrag auf. Wie sich herausstellte, waren in den Plänen der Verwaltung nur die Bäume auf dem Kita-Grundstück eingezeichnet — nicht aber diejenigen an der Kita-Grenze zum Grüngürtel, die für den Bau aber ebenfalls hätten gefällt werden müssen. »Eine ganze Hainbuchenhecke mit zum Teil meter­hohen Bäumen zu übersehen, ist schon ein starkes Stück«, so Bärbel Hölzing (Grüne).

Um Bäume zu retten, beschlos­sen die Schulpolitiker, dass der Modulbau noch näher an das Kita-Gebäude gerückt werden soll. Wirklich zufrieden ist mit diesem Kompromiss niemand. »Ich hätte es mir anders gewünscht, aber der Sanierungsdruck der Schulen ist so eklatant, dass wir zugestimmt haben«, sagt Hölzing. Zwar sei »womöglich das Schlimmste verhindert worden«, so Reinhold Goss, ehemaliger Stadtschulpflegschaftsvorsitzender und Mitstreiter in der BI Grünsystem. Noch immer sei die exakte Zahl und Qualität der zu fällenden ­Bäume unbekannt. Die Stadt nennt 63 Bäume und Sträucher. Jedoch: Eine »genaue Anzahl der Stämme mit Aufschlüsselung nach Bäumen und Sträuchern wird derzeit vor Ort überprüft«, so eine Stadtsprecherin.


Eine Hainbuchenhecke mit zum Teil meter­hohen Bäumen zu übersehen, ist schon ein starkes Stück
Bärbel Hölzing (Grüne)

Reinhold Goss war es auch, der einen alternativen Standort für die Interimsschule an der Vogelsanger Straße auf Höhe des Grüngürtels ins Spiel gebracht hatte. Auf der Straße herrscht wenig Verkehr, es hätte kaum Fläche versiegelt und kein Baum gefällt werden müssen. Die SPD wollte später gar einen Übergangsbau für eine Gesamtschule dorthin setzen. Doch die Verwaltung befand, die Straßenfläche sei zu klein. »Das Projekt befindet sich in der vierten von neun Leistungsphasen. Jeder neue Standort und jede neue Planung würde bedeuten, wieder von vorne beginnen zu müssen — mit den damit verbundenen Mehrkosten und Verzögerungen«, teilt die Verwaltung mit. Zudem verlaufen unter der Straße Versorgungsleitungen, die für ­Reparaturen zugänglich bleiben müssten.

Auch Oliver Seeck (SPD) hat dem Kompromiss zugestimmt, weil der Schulbau Vorrang habe. Doch Seeck kritisiert, dass die ­Verwaltung dem Standort Vogelsanger Straße nie ernsthafte Chancen gegeben habe. »Klar passt ein Modul, das für eine Schule am Venloer Wall geplant ist, nicht eins zu eins auf die Vogelsanger Straße. Das muss man natürlich anpassen.« Auch die Versorgungsleitungen könne man architektonisch berücksichtigen, glaubt Seeck.

Man habe 24 mögliche Standorte geprüft, nur der Venloer Wall komme in Frage, heißt es bei der Stadt. Doch Politiker sowie Mitglieder der Bürgerinitiative monieren, dass es nie eine offene Diskussion darüber gegeben habe. »Die Verwaltung hat den Ratsgremien Informationen über Alternativstandorte vorenthalten. Man wollte eine Diskussion gar nicht erst aufkommen lassen«, so Heiner Kockerbeck (Linke). All die Proteste, Bürgereingaben und politischen Anträge haben der Verwaltung nun trotzdem viel Arbeit gemacht. »Da wäre eine Bürger­beteiligung kaum aufwändiger ­gewesen«, so Reinhold Goss von der BI Grünsystem.

Vor drei Jahren hat Köln den Klimanotstand ausgerufen. Wenn Grünflächen oder Bäume angetastet werden, muss die Stadt dies gut und detailliert begründen. Doch auch fast zwei Jahre nach dem Ratsbeschluss für den Bau am Venloer Wall kann die Verwaltung noch immer keine Auskunft über die genaue Zahl von Bäumen und Sträuchern erteilen.