Nach Wiedereröffnung vorerst mit regionaler Ausrichtung: Sondermüllverbrennung im Chempark

Streik wider Willen

Beschäftigte der Uniklinik streiken für bessere Arbeitsbedingungen — und kaum einen interessiert’s

An einen Moment  der vergangenen Wochen erinnert sich Kira Hülsmann gut. Vor der Landtagswahl hat sie Politiker*innen getroffen. Sie ist Pflegekraft an der Uni-Klinik und hat von ihrer Arbeit erzählt: »Da haben manche mit den Tränen gekämpft.« Hülsmann arbeitet auf der Intensivstation der Herz-Thorax-Chirurgie und ist seit Anfang Mai im Streik — wie viele ihrer Kolleg*innen in Köln und an den anderen sechs Uni-Kliniken in NRW. »Wir wollen nicht streiken, wir haben nur gerade keine andere Möglichkeit«, sagt sie. Seitdem sie vor sieben Jahren ihre Ausbildung begonnen hat, seien die Arbeitsbedingungen nie gut gewesen: »Wir können die Patient*innen nicht so versorgen, wie es nötig wäre.« Sie müsse ständig abwägen: Nimmt sie sich ausreichend Zeit für Körperpflege oder wechselt sie die Medikamente und beobachtet die Reaktion darauf? »Beides gehört aber zu einer erfolgreichen Therapie.«

Auch Christian Wies kennt das: »Es gibt eigentlich keinen Tag, an dem du heimgehst und sagst, dass du deinen Job zufriedenstellend gemacht hast.« Wies arbeitet im Patient*innen-Service: Er serviert Essen, bringt frische Bettwäsche, kümmert sich um die Sterilisation von Instrumenten und Armaturen, bestellt Nachschub. Mindestens zehn Kilometer läuft er pro Schicht. »Ich bin seit zehn Jahren dabei, eigentlich ist es immer nur schlechter geworden«, sagt Wies.  

Die Corona-Pandemie hat vielen Menschen die schlechten Arbeitsbedingungen von Pflegekräften vor Augen geführt —teils auch den Pflegekräften selbst. »Sehr viele haben danach angefangen, das verändern zu wollen«, sagt Kira Hülsmann.


Die Pandemie hat ­vielen Menschen die schlechten Arbeitsbedingungen von ­Pflegekräften vor Augen geführt —
teils auch den Pflegekräften selbst

Im Mai 2021 wurden daraus Pläne. Ein kleines Team begann, sich an den Uni-Kliniken in NRW zu koordinieren. Im Januar dieses Jahres haben dann 700 Arbeitskräfte von der NRW-Landesregierung konkrete Schritte zu einem Tarifvertrag gefordert, der den Personalnotstand lindert. Rund 20.000 Fachkräfte würden dort fehlen, so die Gewerkschaft Verdi. Zugleich wurden die Beschäftigten aller Unikliniken gefragt, welche Arbeitsbedingungen sie für ­erstrebenswert halten. Daraus konnten Forderungen abgeleitet werden, und es sollte die Akzeptanz des Arbeitskampfs erhöhen — mit Erfolg, wie Kira Hülsmann sagt. In Köln würden sich täglich etwa 400 Beschäftigte am Streik beteiligen, in ganz NRW 2000.

Im Mittelpunkt steht der »Tarifvertrag Entlastung« für alle Beschäftigten der Unikliniken. Dazu gehören etwa feste Ratios für die Versorgung. »Wir wollen, dass pro 1,5 Patient*innen eine Pflegekraft eingesetzt wird. Dazu kommt noch eine Person als Springer*in für die Transporte oder Medikamentenbestellung«, sagt Kira Hülsmann. Im Patient*innen-Service, wo Christian Wies arbeitet, wäre eine zusätzliche Kraft notwendig, um auf eine Ratio von 1:20 zu kommen. Wies wünscht sich zudem bessere Einarbeitung der Kolleg*innen.

Doch die Leitungen der Uni-Kliniken stellen sich bislang stur. Nach fünf Wochen haben sie ein erstes Angebot vorgelegt, das lediglich eine Entlastung der Pflegekräfte vorsieht — und die anderen Arbeitskräfte ausschließt. Es wurde abgelehnt. Ein paar Tage später versuchte die Uniklinik Bonn per Gerichtsbeschluss, den Streik zu stoppen, weil er die Gesundheitsversorgung gefährden würde. Sie  verlor den Rechtsstreit. »Wir haben mit der Uni-Klinik feste Notdienstkonzepte abgesprochen«, sagt Kira Hülsmann. »Die Arbeitgebenden verlieren aber durch den Streik viel Geld, weil weniger operiert wird«, erklärt Kilian Petzold von »Profite gefährden ihre Gesundheit«. Die linke Kampagne unterstützt die Streikenden vor Ort,  backt mit ihnen Pizza, orga­nisiert Kundgebungen oder gibt Workshops über Feminismus und Care-Arbeit: »Es ist gut, dass hier die Frage gestellt wird, wie wir uns ein Gesundheitssystem vorstellen, das am Menschen orientiert ist«, sagt Petzold. »Die Beschäftigten sind motiviert und wollen Veränderungen.« Aber ein Streik sei auch viel Arbeit. »Teilweise sind die Tage länger als ein normaler Arbeitstag«, sagt Kira Hülsmann. Sie ist jeden Tag vor Ort, führt die Streiklisten oder gibt Interviews. »Viele sind sehr selbstbewusst geworden. Ich lerne die Kolleg*innen noch einmal anders kennen«, sagt sie. Auch für Christian Wies ist der Streik eine positive Erfahrung. »Es kostet Kraft, aber sich zusammen ein­zusetzen, ist ein gutes Gefühl.« Die Kölner Politik teilt es nicht. Ein Antrag auf Unterstützung des Streiks wurde im Rat von CDU, Grünen und Volt abgelehnt.