Generation C: Planschen nur mit Schwimmreifen

Lange Wartelisten und zu wenig Schwimmbecken

Nach dem Lockdown sind Schwimmkurse überlastet, in Köln denkt man nun über LKW-Schwimmbecken nach

An einem sonnigen Tag im April besuchte NRW-Ministerpräsident Hendrick Wüst (CDU) das Badezentrum Bockum in Krefeld. An einem Rednerpult neben der ­Wasserrutsche hielt er im legeren, dunkelblauen Sakko und weißem Hemd eine kurze Rede. »Keine andere Generation hat so sehr unter den Folgen der Pandemie gelitten wie Kinder und junge Menschen«, sagte Wüst. Ein Satz, der längst zum gebetsmühlenartig wiederholten Mantra der Politik geworden ist. Als Olympiasieger Christian Keller, der 1996 in Atlanta Bronze im Freistil-Schwimmen holte, ­neben ihn ans Rednerpult trat, klickten die Kameras der anwesenden Presseleute.

Es war ein Wahlkampf-Auftakt im Freibad — und der Versuch, auf das Landesprogramm »NRW kann Schwimmen« aufmerksam zu ­machen. Wobei der Titel eher zukunftsweisend gemeint ist, denn tatsächlich kann NRW eher nicht schwimmen. Das Problem ist bekannt, seine Dimension hat vor ­einigen Monaten der Schwimmverband NRW bereits umrissen. Frank Rabe, Generalsekretär des Verbands, bezifferte die Zunahme an Nichtschwimmer*innen am Ende der Grundschule auf 42.000. Zusammen mit jenen rund 110.000 Kindern, die schon zuvor die vierte Klasse abgeschlossen hatten, ohne richtig schwimmen zu können, kam der Verband auf rund 152.000 Nichtschwimmer*innen im Schuljahr 2020/21 allein in NRW.

Grund ist natürlich der coronabedingte Lockdown: Schwimm­kurse fielen aus, weil die Bäder ­geschlossen hatten, und selbst als diese wieder öffnen konnten, ­war wegen der Abstands- und Hygieneregeln für die Grundschulen kein Schwimm­unterricht möglich. Die Folge: Lange Staus in den Wartelisten für Schwimmkurse und viele ­Kinder, die die Grundschule verlassen, ohne sich richtig über Wasser halten zu ­können. Denn als sicherer Schwimmer gilt erst, wer das Bronze-Abzeichen erworben hat.


Ein Rückgang von Schwimmbädern und weniger Schwimmkurse sind die Bilanz der Landesregierung.
Markus Herbert Weske (SPD)

Mit einem umfangreichen Maßnahmenpaket will die nordrhein-westfälische Landesregierung nun die Schwimmfähigkeit von Kindern und Jugendlichen verbessern. 400.000 Euro Förderung werden zur Verfügung gestellt, rund 800 Schwimmkurse sollen damit finanziert werden, für Schüler*innen der ersten bis sechsten Jahrgangsstufe. Neben zweiwöchigen Ferienkursen kann die Schwimmausbildung auch mit Kompaktkursen an Nachmittagen und Samstagen vermittelt werden.

Auf dieses Programm machte Wüst bei seinem Besuch im Krefelder Schwimmbad aufmerksam — und bekam dafür Kritik: »Ein Termin am Beckenrand kann über die Versäumnisse von Schwarz-Gelb nicht hinwegtäuschen: Die Schwimmausbildung hat für CDU und FDP keine Priorität. Ein Rückgang von Schwimmbädern und weniger Schwimm­kurse sind die Bilanz der Landes­regierung«, kritisierte der sportpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Markus Herbert ­Weske. Ähnlich äußerte sich auch Josefine Paul für die Grünen-­Fraktion: Die vielen konkreten Vorschläge zur kurz- und langfristigen Verbesserung der Schwimmausbildung habe Schwarz-Gelb mehr­heitlich ignoriert. Da helfe es nicht, wenn sich der Ministerpräsident nun wahlkampfwirksam neben ein Schwimmbecken stelle, um die magere Bilanz der Landesregierung in diesem Bereich zu retten.

Denn neben den vielen Kindern, die nicht schwimmen können, gibt es in NRW ein weiteres Problem: Es gibt kaum genug Schwimmbecken, in denen die Nichtschwimmer*innen das Schwimmen lernen könnten. ­Oliver Seeck, sportpolitischer Sprecher der SPD im Kölner ­Stadtrat, brachte kürzlich den Prüfantrag gegenüber der Stadtverwaltung ein, das Problem durch umgebaute LKW-Anhänger zu lösen. Denn die Schweizer ­Firma »Aqwa Itineris« bietet diese mit einem Schwimmbecken an. Der LKW könnte etwa Schulen in der Stadt oder öffentliche Plätze anfahren, um dort vor Ort Kindern den Unterricht zu ­ermöglichen. Könnte das eine ­Lösung sein?