»Trans-S«: Die post-pandemische Welt ist gar nicht schön, Foto: Wehr51

Nach langer Dunkelheit

Die Kölner Theatergruppe wehr51 verarbeitet hinter der VR-Brille die pandemische Einsamkeit

»Wird mir heute Abend übel?« Für gewöhnlich stellt man sich diese Frage nicht auf dem Weg ins Theater. An diesem Abend aber sehr wohl. Denn auf dem Programm steht ein Stück mit VR-Brille,  »Trans-S« im Freien Werkstatt Theater. Im Foyer wird vorab Anprobe mit doppelter Brille gemacht, also Sehhilfe plus 3D. Dazu die beruhigenden Worte, das noch keinen Gast den Schwindel ereilt hätte. Passt! Genau wie der Batik-Kittel in dunklen Grüntönen, den jeder übergestreift bekommt und der vage an einen Krankenhausbesuch erinnert, nur dass man hier etwas darunter tragen darf.

Die Kölner Theatergruppe wehr51 lädt zur Geschichte über einen Menschen, der nach einer scheinbar endlosen Zeit in Dunkel­heit, also Isolation, die post-pande­mische Welt betritt. Los geht es für das Publikum mit einer Nummer: Alle ungeraden Ziffern folgen Schauspielerin Anna Möbus in den Keller. Mit dem schwarzen Papacha auf dem Kopf wirkt sie wie eine Generalin — und sie sagt, wo es lang geht. In einen sporadisch ausgeleuchteten Raum nämlich, in dem jedem ein Stuhl zugewiesen wird. Zu den Füßen Kunstrasen, neben der Armlehne ein Trolly mit Regenschirm und von der Decke herab baumelt eine gelbe, gefütterte »Mütze«, so groß als würde man den Kopf bis zur Nase in ein Kissen stecken, darin: die VR-Brille.

Die skurrile Hybrid-Inszenierung spielt mit der Lockdown-Erfahrung, Vorschriften »zum Wohle aller« zu internalisieren, während man zunehmend das Gefühl verliert, dass es »alle anderen« überhaupt noch gibt. Hinter der VR-Brille trifft man dann auch eine alte Freundin wieder, die sich total verändert hat. Sie ist jetzt ein Cyborg und auch die Stadt, selbst der eigene Garten sehen anders aus. Über das in andere Sphären abgeglittene Publikum unter den Kissenmützen wachen die Wärter*innen, sprühen Duft und Nieselregen, aber alles ist bloß ein billiger, künstlicher Abklatsch.

Die post-pandemische Welt ist gar nicht schön: Man blickt sich um, sieht geometrische Formen und einen kleinen NAO-Roboter, der die neuste Wissenschaft erklärt. Die Rückkehr ins Hier und Jetzt ist erleichternd — und schließlich führt die Generalin in den nächsten Raum, der ein ganz neues Licht auf die Szenerie wirft. Diese Pointe sollte man »zum Wohle der nachkommende Gäste« allerdings für sich behalten.

Freies Werkstatt Theater, weitere Spieltermine im September 2022