Warten auf die Kräne

Trotz jahrelanger Planungen ist im Mülheimer Süden bislang wenig gebaut worden. Während mit manchen Grundstücken spekuliert wird, sollen auf anderen neue soziale Wohnformen entstehen.

Wie geht das zusammen?

Im Neubaugebiet Mülheimer Süden gehe es voran — auch wenn es nicht so aussehe: Diesen Eindruck wollten ­einige Investoren und die zuständigen Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung in den vergangenen Wochen vermitteln. Das war nicht leicht. Die Baustellen der Adlergroup stehen nach wie vor still, bei anderen Grundstücken ist unklar, wer nach etlichen Eigentümerwechseln eigentlich zuständig ist. Grund genug für Stadt und Bauherren, Ende Mai kommunikativ in die Offensive zu gehen.

Ein Pressetermin, eine Diskussionsveranstaltung am Mülheimer Rheinufer, eine Broschüre: Baudezernent Markus Greitemann und sein Team wollten zeigen, dass sich hinter den Kulissen einiges bewegt. Dichte und Höhe der Bebauung, Standorte für Gebäude, Grünflächen, Kitas, die Aufteilung von Wohnen, Büros und Gewerbe — darüber hat das Team zuletzt intensiv mit den Besitzer*innen verhandelt. Nach der Sommerpause sollen die Bebauungspläne für zwei neue Baufelder öffentlich ausgelegt werden

Auf beiden Arealen gibt es neue Akteure. Im fünf Hektar großen Baugebiet der früheren Lindgensfabrik am Mülheimer Hafen hat Investor Wolfgang von Moers eine Option auf drei Baufelder gekauft. Mit Tochtergesellschaften seines Unternehmens WvM will er Gewerbe- und Wohngebäude errichten. Der Kauf wird vollzogen, sobald der Rat der Stadt den Bebauungsplan beschließt, so eine Sprecherin. Den Bauherren soll ein 19-stöckiges Hochhaus genehmigt werden — auch als Ausgleich für das Zugeständnis, zehn Prozent Sozialwohnungen zu errichten. Zugleich hatte sich die »Ständige Jury«, ein Beratungsgremium besetzt mit Planer*innen und Architekt*innen, für das turmartige Hochhaus ausgesprochen. Sechs solcher »Hochpunkte« sind im Mülheimer Süden vorgesehen.

Die Kommune als Eigentümerin und zentraler Akteurin — Bewährungsprobe für den neuen Liegenschafts­dezernenten
William Wolfgramm

Einer davon soll auch auf der anderen Seite der Deutz-Mülheimer Straße, im »Deutz-Areal« gebaut werden. Den Wunsch der Eigentümerin Gateway Real Estate nach einem weiteren »Hochpunkt« lehnte die Jury ab. ­Allerdings sollen in diesem Baugebiet 30 Prozent Sozialwohnungen vorgeschrieben werden. Schon der ursprüngliche Kaufpreis, den die Deutz AG für das Grundstück erzielen konnte, sorgte für Kopfschütteln. Die ­Gateway dürfte wohl noch mehr bezahlt haben, als sie das Grundstück erwarb. Die enormen Kosten für den Baugrund will das Unternehmen durch innovative An­sätze wie Holzbau und serielles Bauen kompensieren. Ob so neben den ­Sozialwohnungen trotzdem bezahlbarer Wohnraum ­entstehen kann, wird sich noch zeigen.

Im Otto-Langen-Quartier soll beides möglich werden. Der frühere Standort der Deutzer Motorenwerke gehört inzwischen der Stadt Köln und dem Landesbetrieb NRW Urban. Die Stadt hatte ein Vorkaufsrecht eingesetzt, um den Verkauf eines Teils an einen renditeorientierten Investor zu verhindern. Bis der Vorbesitzer vor einem Jahr räumen ließ, hatten die Künstler*innen vom »Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste« das einigermaßen intakte Verwaltungsgebäude im Otto-Langen-Quartier genutzt. Jetzt wollen sie zurück. In der Zwischenzeit haben sie für ein tieferes Verständnis der »Gemeinwohlorientierung« geworben, die oft als Ziel für die Entwicklung des Grundstücks genannt wird. Einer der beiden Köpfe, Marc Leßle, will, dass schon das Planverfahren über die gängigen ­Beteiligungsverfahren hinausgehe. Ihm schwebt eine »Stadtentwicklung von unten« vor. »Das dauert länger, ist aber nachhaltiger«, sagt Leßle.

Ein Initiativkreis um den früheren Grünen-Ratspolitiker Jörg Frank hat derweil Forderungen für das fünf Hektar große Areal formuliert. Sie richten sich an die Verhandlungsteams von CDU und Grüne, die in Düsseldorf an der nächsten NRW-Regierung arbeiten. »Ein Modell für ein urbanes Quartier im 21. Jahrhundert mit zivilgesellschaftlicher Beteiligung« soll das Gelände werden. Konkret wollen sie den Erhalt und nachhaltigen Umbau der Industriearchitektur erreichen, Raum für Kultur und insbesondere bis zu 70 Prozent Sozialwohnungen. Dafür müsste das Land NRW sein Grundstück an die Stadt verkaufen — zu einem Preis, der die wenig renditeträchtigen Vorhaben ermöglicht.

Die bisherige CDU/FDP-Landesregierung bestand ­bislang auf einen Verkauf an den Höchstbietenden. Auch die Stadt betrachtet das Quartier inzwischen als einen »zentralen Baustein für die Gesamtentwicklung des Mülheimer Südens«. Baudezernent Greitemann kündigte an, notfalls erneut vom Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen. Ob mit oder gegen das Land: Am Ende stünde dann ein Gesamtkonzept für das Grundstück als verbindliche Grundlage für eine Ausschreibung. Greitemann plant, an einen Investor zu verkaufen, der sich den politisch beschlossenen Zielen verpflichtet. In der zweiten Jahreshälfte soll die Politik beraten, mit welchen Vorgaben der Wettbewerb ausgeschrieben wird.

Die Kommune als Eigentümerin und zentraler Akteu­rin — eine Bewährungsprobe auch für den von den Grünen ­nominierten neuen Liegenschaftsdezernenten William Wolfgramm. Im besten Fall können Verwaltung und Politik beweisen, warum Grundstücke in öffentlicher Hand ein wirksamer Hebel für die Stadtentwicklung sind. Wie wichtig das ist, lässt sich auf den Grundstücken der Adlergroup beobachten. Der Immobilienkonzern ist angeschlagen. Derzeit ruht die Baustelle an der Deutz-Mülheimer Straße. Baudezernent Greitemann ­äußerte zuletzt die Hoffnung, dass noch in diesem Jahr die Kräne zurückkehren. Ein Gewerbegrundstück am Mülheimer Hafen ist jedoch nach einem nicht vollzogenen Kauf an die Adlergroup zurückgefallen. Der Käufer, ein Fonds mit Sitz auf einer Kanalinsel, habe nie den vollen Kaufpreis entrichtet, teilte das Unternehmen Ende Mai mit. Von Seiten der Stadt heißt es, ein Ansprechpartner sei nicht bekannt. Ein Neustart des Planungsver­fahrens »nach den häufigen Eigentümerwechseln« sei ­geplant, schreibt die Stadtverwaltung in der Broschüre zum Gebiet.