Foto: Felix Brüggelmann

Szenedrucker und ­Biolandwirt

Ohne Rolf Henke wäre die Kölner Medienlandschaft heute ärmer

Sie lernten sich in der Kölner Mensa kennen, im Sommer 1969, Rolf Henke, der aus Berlin kam, und die Gründer der »Sozialistischen Selbsthilfe Köln« (SSK). Hier entstand die Idee zum ersten Undergroundblatt der Stadt, ANA & BELA. Rolf Henke war bald der Macher, konzentrierte sich auf den handwerklichen Teil der Publizistik, erwarb 1970 für 300 Mark seine erste A4-Offset-Maschine. »Es ging um kulturelle Unabhängigkeit«, wie er 50 Jahre später zu einem Reprint des Blattes erzählte. Bald folgten größere Maschinen und größere Formate, erst am ­Ubierring, dann lange Jahre in der Kartäusergasse, später und bis heute in Brühl. Henke druckte für die maoistische Liga gegen den Imperialismus ebenso wie Comics für den Taschen-Verlag. Drucken war für ihn »Ausdruck der Unabhängigkeit«, der politischen wie ökonomischen.

1977 wurde er Mitbegründer der Stadtrevue, war auch Verleger politischer und literarischer Bücher unterschiedlicher Provenienz. Mit den Jahren avancierte Henke zu einem der größten Szenedrucker der alten Bundesrepublik, wobei sich diese Charakteristik auf die Medien, weniger die Macher bezieht. Henke hatte nie Ambitionen auf alternative Geschäfts- oder ­Betriebsformen. »Die Verbindung von Verlag und Druckerei lässt ­keine Sentimentalitäten zu«, resümierte er knapp.

Anfang der 90er Jahre gründete er in Berlin den »Henke Pressedruck«, bald ein Betrieb mit rund 100 Beschäftigten, die Anzeigenblätter in Millionenauflage druckten, aber auch das Stadtmagazin Zitty, das Rostocker Tageblatt oder auch die taz. 2015 wurde der Betrieb in Berlin geschlossen, den »Grafischen Betrieb Henke« in Brühl gibt es bis heute.

Aber es existiert noch ein zweiter Rolf Henke. In den 90er Jahren erwarb er das Gut Temmen in der Uckermark und machte auf rund 3500 Hektar daraus ein biologisches Landgut mit Ackerbau, Rinderzucht, Pferden, mit dem Anbau von Wildsamen und Gästehaus. Temmen wurde sein Lebenselixier: »Wir wollen mit der Natur zusammenarbeiten, ohne sie zu zerstören.« Und auch hier war er erfolgreich. Das Rindfleisch, vor allem die Temmener Wurst, ist bis Berlin begehrt.

Sollte man Rolf Henke in Figur und Gestus beschreiben, das lange blonde, aber schüttere Haar, der lässige Duktus, fällt mir die Figur aus einem Brecht-Gedicht ein: »Laotse auf dem Weg in die Emi­gration«. Sollte man dieses Gedicht für die Bühne inszenieren, wäre Rolf die richtige Besetzung. Wäre — denn er ist Anfang Juli in Köln ­gestorben.    

Der Reprint von ANA & BELA ist 2021 erschienen im Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln