Will andere mit seinem Sound inspirieren und motivieren: Rapper Albi X aus Köln, Foto: Sam Kiala

Internationaler Sound … made in Cologne

»Meine Musik ist für alle« — mit seiner unvergleichlich positiven Energie möchte Albi X Mut machen undsetzt sich für mehr Akzeptanz ein

Ganz in schwarz gekleidet springt Albi X allein auf dem Dach der Kölner Lanxess Arena auf und ab. Im nächsten Moment ist er nicht mehr allein. Das Springen verwandelt sich in eine energetische Choreografie, synchron getanzt von einer Gruppe, die zu einer Einheit verschmilzt. Zwei von ihnen halten gemeinsam die kongolesische Flagge in die Luft, im Hintergrund ist der Kölner Dom zu sehen. Ein unfassbar eindrucksvolles Bild. Ein Musikvideo auf der Lanxess Arena: Das hat noch kein anderer Rapper vor ihm gemacht.

Ich schaue das Musikvideo zu »Lélé« zum ersten Mal auf einer Zugfahrt von Köln in die Heimat (ja, tatsächlich hat das »WLAN on ICE« funktioniert) — und kann mich nur schwer auf meinem Sitzplatz halten. Denn die Energie, die Albi X in seine Stimme legt und beim Tanzen mit seiner Crew freisetzt, ist einmalig und vor allem eins: ansteckend. Mit seinem tiefen, rauen Timbre rappt Albi X auf »Lélé«: »Open your ears up when I pull up — hear me out«.

Aufgewachsen in den Kölner Stadtteilen Bilderstöckchen und Ehrenfeld, wusste Boris, so heißt Albi X bürgerlich mit Vornamen, schon früh um seine musikalische Ader: »Sobald ich zwei Stifte in der Hand hatte, trommelte ich auf allen Gegenständen, die dafür ­geeignet waren. Das hat sich bis heute nicht geändert«, erzählt er im Interview mit der Outback-­Stiftung, bei der Boris einmal Betreuter war. Mit »Westart« vom WDR teilt er einen Schlüsselmoment aus seiner Kindheit: Im Alter von neun Jahren war er mit Freunden in Ehrenfeld bei einem Straßenfest. Sie haben mit Stöckern auf Eimern getrommelt und seitdem hat ihn die Vision, mit Musiker*­innen auf einer Bühne zu ­stehen, nicht mehr losgelassen. Ein Paradebeispiel für Manifestation.

Sein Gespür für Musik kommt dabei nicht von Ungefähr. Sein ­Vater singt im Chor und zu Hause läuft kongolesische Rumba. Neben Schlagzeugspielen gehört auch Tanzen zu seinen Hobbys. Als Teenager reist er mit seiner Gruppe für Auftritte durch Deutschland — daher wohl auch die beeindruckende Bühnenpräsenz.

Bald kommt Rappen dazu. ­Bevor er sich aber als Rapper einen Namen macht, wird er erstmal von dem Fotografen Mudjacka Mvunuku als Model entdeckt. Bei seinem ersten Shooting in Wuppertal ­entsteht auch der Künstlername: »Albi steht für Albino und das X dafür, dass ich mich nicht schäme«, erklärt er. Mittlerweile hatte Albi X viele Model-Gigs. So hat er zum Beispiel schon Seite an Seite mit Kelvyn Colt und UK-Rapper Headie One für Puma gemodelt.


Albi steht für Albino und das X dafür, dass ich mich nicht schäme«
Albi x

Seine musikalische Laufbahn startet dann 2018 mit dem Release von »Big Moves«. Es folgen weitere Singles und der Feature-Track »Toulouse« mit der Deutsch-Rapperin Haiyti für ihr Album »SUI SUI«, bis endlich im September 2020 seine erste EP erscheint. »DEUFRALA« ist als Kollaborations-Projekt mit Christ D.Q und Melo entstanden. Der Titel ist ein Akronym für Deutsch, Französisch und Lingala, der Amtssprache der Demokratischen Republik Kongo. Die drei rappen ihre Texte in  sieben Tracks nämlich trilingual über einen modernen Drill-Sound und feiern mit »Makélélé« einen kleinen Hit. Mit »DEUFRALA« arbeiten sie an ihren Solo-Karrieren, unterstützen sich dabei aber gegenseitig. In seiner Musik mixt Albi X nicht nur Sprachen, sondern auch Genres. So nennt er ­verschiedene Hip-Hop-Stile ebenso als einen Einfluss wie R&B oder eben Rumba.

Auch die anderen beiden ­Singles werden mit der eingangs beschriebenen Albi X-Energie ­performt. Zu »Bibamba« gibt es ebenfalls eine passende Choreografie und im ersten Shot des ­Videos den Blick auf die Hohenzollernbrücke, Dom und Musical Dome bei Nacht. Wieder wird klar, wie stark Albi X in Köln verwurzelt ist. Seine Heimatstadt zu repräsentieren, ist Teil seiner Kunst: »Ich hab hier in Köln alles angefangen und ich hab auch vieles in Köln erreicht«, so Albi X — und fragt sich: »Warum sollte ich hier weg? Ich bin hier aufgewachsen.«

Als wäre das mit dem Modeln und Rappen nicht genug, ist Albi X auch noch Event-Veranstalter. Im Interview mit HipHop.de erzählt er, dass seine Events als Halloween- und Silvesterpartys angefangen hätten, gut angekommen seien und er sich dann überlegt habe, daraus eine Veranstaltungsreihe zu machen, die er mit »Sauce Events« überschrieben hat. Namensgeber der Event-Reihe ist der Track »Sauce« des US-Rappers Playboi Carti. »Komm einfach, wie du willst«, erläutert Albi X das Konzept seiner Reihe, »sei einfach du selbst. Hauptsache Energy und good Vibes.« Es gibt keinen Dresscode, denn es soll bei diesen Partys nicht um Äußerlichkeiten, sondern um das Gefühl per se gehen.

Wer jetzt denkt, dass das kreative Kontingent von Albi X damit aus­geschöpft oder zumindest sein ­Terminkalender zu voll ist, der irrt. Das Multitalent stand im letzten Jahr zum ersten Mal als Schauspieler für den Film »Plattform« vor der Kamera, der in diesem ­Januar angelaufen ist. Zudem hat er jetzt zum ersten Mal einen Soundtrack zum holländischen Film »White Berry« beigesteuert. Der Film gibt einen Einblick in das Leben einer Frau mit Albinismus, die sich durch Ausgrenzung und Diskriminierung als Außenseiterin fühlt. Durch neue Freunde wird ihr ihre afrikanische Identität immer wichtiger. Wie Albi X auf Instagram schreibt, gibt es jede Menge Parallelen zwischen dem Film und seiner eigenen Biografie, was das Ganze zu einem besonderen Projekt für ihn macht. Bei Hip-Hop.de fasst er seine Erfahrung mit Ausgrenzung aufgrund von Albinismus so zusammen: »Diskriminierung bekomme ich von beiden Seiten ab.« Deshalb ist ihm die Message von Akzeptanz in seiner Kunst so wichtig. Doch nicht nur von außen, sondern vor allem auch Akzeptanz und Wertschätzung sich selbst gegenüber. Seine Musik und seine kreative Arbeit im Allgemeinen sind ein Plädoyer dafür, die eigene Besonderheit zu zelebrieren, anstatt sich einreden zu lassen, dass sie ein Makel sei — und das im schlimmsten Fall auch noch zu glauben.

Das sind nur zwei Meilensteine von vielen in diesem Jahr. Im März wurde Albi X von der Major-Plattenfirma Universal gesignt und ist zum ersten Mal in den USA, genauer: in Austin, Texas beim SXSW aufgetreten. Im Mai besuchte er seine erste Award-Show. Im Juni spielte er seine erste große Show beim Melt Festival und sein erstes Headliner-Konzert beim United Islands Festival in Prag — gefolgt von weiteren Festival-­Auftritten im Juli und August in Deutschland, den Niederlanden, Belgien und Frankreich. Nicht nur die Festival-Bookings außerhalb Deutschlands zeigen, dass Albi X mit seinem Sound auch international auf offene ­Ohren trifft. Wie er im Interview bei HipHop.de verrät, wollte UK-Rapper Russ Millions einen Remix von »Mekélélé« machen und mit Backroad Gee, ebenfalls erfolgreicher Rapper aus Großbritannien, hat er sich kürzlich in Köln in den Alles Oder Nix Studios getroffen.

Unter seinen Instagram-Posts schreibt Albi X häufig, wie dankbar er für all das sei, was er erleben dürfe, macht aber auch klar, dass das erst der Anfang sei und er sich auf seinem weiteren Karriereweg in keinster Weise limitieren wolle. Im Interview mit der Deutschen Welle erzählt er, dass er noch nie im Kongo gewesen sei, aber bald dort hinreisen und ein Konzert ­geben wolle.

Er muss sich jedenfalls keine Sorgen machen, ob seine Musik dort Anklang findet oder nicht. Die Moderatorin zeigte ihm Ausschnitte einer Straßenumfrage in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa mit Menschen, die auf seine Songs reagierten. Die Re­sonanz war  einstimmig positiv: »His music is universal.« Besonders schätzen die Befragten, dass er ihre Sprache Lingala in die Welt trägt.

Es könnte für Albi X kaum besser laufen und von allem, was ich während meiner Recherche für diesen Text über ihn erfahren habe, kann man es ihm nur gönnen und sich vielleicht davon ­mitreißen lassen; denn: »Mit den ­Sachen, die ich kreiere, möchte ich andere Leute inspirieren und motivieren. Jeder Mensch kann seine Träume verwirklichen, wenn er daran glaubt.«