Naturnahe Lockmittel

»Ich will nicht in den Garten!«

Kleingärten sollen jetzt »naturnah« sein. Für Familien hat das nicht nur Vorteile

Ich weiß nicht genau, wann es anfing, aber unsere Kinder ­wollen nicht mehr in den Schrebergarten. Ausgerechnet jetzt, im Sommer, wo die Tomaten rot sind und der Hibiskus blüht. Wir erwähnen das Planschbecken und die Limo, die im Kühlschrank wartet. Aber die Kinder wollen das nicht hören. Sie rufen: »Ich will nicht in den Garten!« Es ist enttäuschend.

Allerdings waren wir gewarnt. »So schön, dass eure Kinder immer mitkommen! Unsere kriegen hier keine zehn Pferde hin.« Solche Kommentare haben wir von anderen Gärtnern oft gehört. Ich dachte erst, die machen Witze, die sollen sich doch freuen, dass sie einfach Unkraut zupfen oder ein Buch lesen können, ohne ständiges Gezänk im Hintergrund hören oder Bälle aus dem Teich fischen zu müssen. Langsam glaube ich, die meinten das ernst.

Unsere Gartennachbarin ist auch betroffen. Sie sagt, sie habe so romantische Vorstellungen gehabt vom gemeinsamen Säen und Ernten mit der Tochter. Aber jetzt fasst sie die Erde nicht an. Sie will auch nichts essen, worüber mal ein Käfer ­gekrabbelt sein könnte. Im Grunde will sie mit dem Garten nichts zu tun haben. »Stadtkinder halt«, sagt die Nachbarin und zuckt die Achseln.

Wenn sie nicht mehr weiterwissen, setzen Eltern Lockmittel ein. Wir haben seit langem Sandkasten und Rutsche im Garten, aber das zieht nicht mehr, jedenfalls nicht so wie die Aussicht, mit Freunden ins Freibad zu gehen. Die Nachbarin hat jetzt einen Gang raufgeschaltet und den Albtraum aller Vorstadtgärten angeschafft, ein Trampolin. Dafür hat sie einiges auf sich genommen, denn man darf in Kleingärten nicht alles anschleppen, wonach einem der Sinn steht. Es mag heute nicht mehr wichtig sein, die Hecke zenti­metergenau zu kürzen, doch dafür pocht der Vereinsvorstand auf andere Regeln. Der Garten soll naturnah sein und nicht aussehen wie ein Vorgarten in Quadrath-Ichendorf! Die Nachbarin musste für das Trampolin einen Antrag stellen, dann schickte der Vorstand eine Architektin, die half, es möglichst unauf­fällig im Garten zu platzieren (mit geringem Erfolg). Das alte Ehepaar mit dem schönen Apfelbaum, ebenfalls Nachbarn, beobachtete die Vorgänge amüsiert. »Wenn ihr wüsstet, was wir in den 70er Jahren alles an Spielgerät im Garten hatten!« Immerhin, die Nachbarstochter war neulich mal wieder im Garten. Auf dem Trampolin habe ich sie aber nicht gesehen.