Auf Sendung: Timotée Robart, Joseph Olivennes, Foto: Steffen Junghans, Port au Prince Pictures

Die Magnetischen

Vincent Maël Cardona erzählt in seinem Debütfilm vom Heranwachsen in den kalten 80er Jahren

Das Jahr 1980 beginnt für die ­Brüder Philippe und Jerôme trist: Ian Curtis, Sänger der Band Joy Division, hat sich in seinem Reihenhaus bei Manchester erhängt. Jerôme lässt seinen Emotionen freien Lauf, improvisiert im eigenen Piratensender einen leidenschaftlichen Nachruf, während Philippe sich, wie so oft, hinter der Technik versteckt. Wie soll man im Leben noch irgendetwas anpacken, wenn gerade das ­größte Idol gestorben ist? Durch Selbstmord?

Das Frankreich der neuen ­Dekade ist düster. Politische Umbrüche werden manifest, von Freiheit keine Spur und für Philippe steht der Grundwehrdienst an. Einzige Lichtgestalt: Marianne, eine Friseurin in Ausbildung, die mit ihrem Kind in die Provinz gekommen ist und mit Jerôme eine Beziehung beginnt. Doch auch Philippe hat ein Auge auf sie geworfen. Und spätestens, als sie ein paar Wörter für einen Jingle in sein Aufnahmegerät haucht, ist es um ihn geschehen.

»Die Magnetischen« erinnert vom Ansatz her an Olivier Assayas »Die wilde Zeit« (2012), der ­versucht, das Lebensgefühl der Jugend um 1968 einzufangen. Menschen aus der Vergangenheit beim Erwachsenwerden zuzusehen, darin scheint ein besonderer Reiz zu liegen. Allerdings gelingt Assayas etwas, woran es Vincent Maël Cardona in seinem ersten Langfilm mangelt: »Die wilde Zeit« fühlt sich organisch an, warm, während »Die Magnetischen« springt und bricht. Natürlich könnte man das auf die jeweils vorherrschenden Moden schieben — da das sich anbahnende Hippietum vor Lagerfeuern, hier New Wave und schwarze Hemden.

Dennoch wird man den Eindruck nicht los, dass Cardona und seine Schar an Drehbuchautoren sich zu viel vorgenommen haben. Wenn Philippe im Rahmen seines Militärdienstes nach West-Berlin muss und in Begleitung eines ausgebufften, weltläufigen Kameraden ein vermeintlich exzessives Nachtleben in Ost-Berlin entdeckt, wirkt das ziemlich drüber. Fast wie ein Zirkus, der jäh endet, wenn es zurück nach Frankreich geht. Denn dort wartet bereits die Kargheit und Kälte der Abgehängten, der Geruch von Alkohol in der Luft. All das ist hastig erzählt. Die Entscheidung für den Rundumschlag, das Panorama, sorgt für eine Atemlosigkeit, die bis­weilen überrumpelt.

(Les magnétiques) F/D 2021, R: Vincent Maël Cardona, D: Thimotée Robart, Marie Colomb, Benjamin Georjon, 98 Min. Start: 28.7.