Oper Cheminitz: Uraufführung von »Benzin« 2010, © Dieter Wuschanski

Ulysses mit leerem Tank

Ein Zeppelinkommandant muss notlanden, weil ihm der Sprit ausgeht: Ein guter Zeitpunkt für »Benzin«?

80 Jahre schlummerte die Oper von Emil Nikolaus von Reznicek in der Österreichischen Nationalbibliothek, ehe man sie 2010 in Chemnitz zur Uraufführung auf die Bühne hievte. Das Stück des Komponisten und Dirigenten habe da schon jeden Zeitgeist eingebüßt, frotzelten die wenig begeisterten Kritiker*innen. Dabei scheint der Stoff von heute aus betrachtet erstaunlich aktuell. »Benzin« lautet ihr Titel und im Mittelpunkt der romantischen Geschichte steht der Zeppelinkommandant Ulysses Eisenhardt, der seine Weltumrundung unterbrechen muss, als ihm der Sprit ausgeht.

Auf einer geheimnisvollen ­Insel macht er eine Notladung — und siehe da, Benzin gibt es hier in nahezu unbegrenzter Menge. Wäre da bloß nicht die Herrin des Treibstoffparadieses: Gladys hat einen milliardenschweren Vater und die Fähigkeit, Männer zu becircen. Im Handumdrehen hypno­tisiert sie alle männlichen Inselbewohner und setzt ihnen jene Tiermaske auf, die zu ihnen passt. Nur der Kommandant Ulysses ist immun gegen ihre Macht. Zwischen den beiden entspannt sich ein Gerangel. Es gibt kleine Intrigen und Morddrohungen mit ­einem nicht geladenen Revolver, Benzinverweigerung und am Ende dann doch: das Glück über den Wolken, mit voller Tankladung.

Reznicek selbst erklärte seine 1929 komponierte Oper zu einem »heiter-phantastischen Spiel mit Musik«. Vermutlich hatte ihn die Atlantik-Überquerung des Luftschiffes Graf Zeppelin inspiriert. Den antiken Mythos von Circe und Odysseus verknüpfte er mit Gassenhauern und den damals ­angesagten Modetänzen, samt Schleuderbeinen und Scheibenwischerfüßen. Dazu ein Hauch von Frau­en­­emanzipation, eine feine Brise Männlichkeitskritik und natürlich das Faszinosum Luftfahrt. Doch spielen wollte es niemand, alle Opernhäuser lehnten ab. Wäre jetzt ein guter Moment, um es noch einmal damit zu versuchen?

Reznicek selbst wird es nicht erleben. Bereits 1945 starb er an Hungertyphus. Als einer der ersten Berliner Bürger wurde er nicht mehr in einem Massengrab verscharrt — wovor ihn eine Gallone Benzin aus amerikanischen Armee­­beständen bewahrte, die ein Freund der Familie auftrieb. Weil die Leichenträger beim Überschreiten der Sektorengrenze aus Sicherheitsgründen aufgefordert wurden, ihre schwarzen Anzüge abzulegen, fand die Beisetzung in Unterwäsche statt. Dem großen Ironiker Reznicek dürfte diese ­Geschichte gefallen haben.