Über Macht und Manipulation von Bildern: Die Ausstellung »Dispersion« von Thomas Ruff im KAT_A, © Lars Behrendt

Fotoaufklärung durch Bildbearbeitung

Eine sehenswerte Thomas Ruff-Ausstellung in Rhöndorf

Dort, wo Rhöndorf ziemlich pittoresk und leicht vergangenheits­selig wird, sich Fachwerk, Weinberg und Drachenfelskulisse zu reinster Siebengebirgsromantik verbünden, ist nicht unbedingt ein Schauplatz zeitgenössischer Kunst zu erwarten. Dank der Initia­tive der Sammlerin Andra Lauffs-Wegner gibt es hier das KAT_A. Im Erdgeschoss einer im Ortszentrum gelegenen großen Gründerzeit­villa sind seit 2014 hochkarätige, jährlich wechselnde Ausstellungen mit Werken der eigenen Kollektion zu sehen. Dazu kommt noch der in einen klug bestückten Skulpturenpark verwandelte Garten der benachbarten klassizistischen Villa »Haus im Turm«. Die aktuelle, siebte Ausstellung im KAT_A — was als Kombination aus »Kunst am Turm« und dem Vornamen der Sammlerin zu lesen ist — widmet sich erstmals allein einem Künstler. »Dispersion« heißt die mit rund 20, oft großformatigen Arbeiten bestückte Schau, die ­einen guten Einblick in das nicht leicht zu fassende Werk des 1958 geborenen Thomas Ruff gibt und im Rahmen einer erfreulich subjektiven Führung durch Lauffs-Wegner besucht werden kann.

Auch wenn Ruff zu den Großen der legendären Düsseldorfer Becher-Foto-Klasse gehört, ist er weniger klassischer Fotograf als vielmehr ein skeptischer und ­reflektierter, äußerst versierter Bildbearbeiter, dem es nach eigener Aussage darum geht, »die Geschichte der Fotografie aufzuarbeiten.« Und diese Geschichte ist für ihn eine der Manipulationen und Täuschungen. Seine Untersuchungen zum fotografischen Bild betreibt Ruff in umfangreichen Werkreihen, denen bei aller Unterschiedlichkeit eine gewisse analytische Kühle, etwas Artifizielles gemeinsam ist. So verwandelt er beispielsweise die frühen eigenen monumentalen »Portraits« durch das Einsetzen blauer Augen in überzeugende Fälschun­gen oder überlagert sie mittels Fahndungsbildtechnik zu fast rea­len Klonen. Die Digitalisierung der Fotografie und die damit ­verbundenen Bearbeitungsmöglichkeiten, die Bilderfluten des ­Internets macht sich Ruff zueigen. Er arbeitet demonstrativ mit ­Pixelstrukturen, Kolorierungen, Vergrößerungen, Aufweichungen, Überblendungen, 3D-Verfahren. Pressefotos, Nasa-Aufnahmen, chinesische Propagandabilder, ­japanische Mangas, Internetpornografie, historische Archive und eige­ne Architekturfotos liefern das Material für Ruffs Bilder, die deutlich machen wie Bilder Welt zeigen und Weltbilder erzeugen (sollen). 

Thomas Ruff — Dispersion, KAT_A, Drachenfelsstraße 4–7, 53604 Bad Honnef-Rhöndorf, Mi, Fr, So 11–17 Uhr. Es wird darum gebeten, den Besuch mindestens einen Tag vorher via kat-a.de anzumelden. Bis April 2023.
Mit dem Eintrittsgeld wird ein jährlich vergebener Kunstpreis finanziert; einen informativen Katalog zur Ausstellung gibt es kostenlos.