Minigolf — ein Missverständnis

Materialien zur Meinungsbildung

Alle Menschen wollen jetzt wieder ständig ins Freibad, weil sie »Abkühlung brauchen«. Wenn ich Abkühlung brauche, scharwenzele ich im Supermarkt zwischen den Kühlregalen herum, im Nu bin ich abgekühlt. Das Ambiente ist nicht so hübsch, mit abgepackten Wurstwaren dekoriert man keinen Wellnessbereich. Aber im Freibad sieht man auch Unappetitliches; dort komme ich mir vor, wie der Veganer in der Fleisch­abteilung.

Wer den Weg in den Supermarkt aus weltanschaulichen Gründen ablehnt, dem empfehle ich eine kühlende Dusche daheim. Wenige Minuten reichen aus, und das kann einem auch derzeit energiepolitisch niemand zur Last legen. Abgekühlt kann man anschließend was Vernünftiges tun, etwa auf dem Sofa liegen. Dort ist es bequemer als auf einem nassen Badetuch im Freibad und schattiger auch. Warum also Schwimmbad? Es ist ein Bedürfnis, das man uns eingetrichtert hat. So wie man beim Fußball­gucken vor dem Fernseher Unmengen Chips und Bier verputzt und nicht Wackelpeter und Eier­likör, was doch auch lecker ist.

Als Gesine Stabroth schon wieder ins Freibad wollte, war ich froh, dass selbst Tobse Bongartz keine Lust hatte und stattdessen ganz versessen darauf war, Minigolf zu spielen. Tobse Bongartz hielt eine Rede, in der er das Ungemach eines Freibadbesuchs in schillernden Farben malte: Die Schlangen an der Pommesbude seien viel zu lang, auf den Klos sei alles nass und eklig, und zudem habe doch Gesine Stabroth beim letzten Mal verkündet, sie wolle mich wegen meiner Badehose nie mehr dabei haben, weil die Hose — »das gehört zur Wahrheit dazu«, so Tobse Bongartz — sehr unmodern sei. Das Hosen-Argument wog schwer, Gesine Stabroth meinte: Na, gut.

Minigolfanlagen gleichen Freibädern landschaftsgärtnerisch sehr, nur Wasser fehlt. Ich erwartete einen angenehm langweiligen Nachmittag, stellte aber fest, dass die Menschen beim Minigolf ebenso ungehobelt sind wie die Rowdies im Schwimmbad, nur etwas mehr angezogen. Minigolf ist ein großes Missverständnis. Die Leute denken: Minigolf, das klingt putzig, das kann jeder und macht den Kindern Spaß. Aber es ist alles ganz anders. Kein Mensch, den ich sah, beherrschte die erforderliche Spieltechnik. Es ist auch nicht nötig, denn die Bahnen sind völlig marode, sie wirken auf mich wie ein Spiegel der Infrastruktur in den Städten. Die Bälle rollen wie ferngesteuert, alle Gesetze der Physik scheinen außer Kraft gesetzt. Minigolf ist ein Glückspiel.

Erstaunlicherweise war es voll, und das machte alles noch schlimmer. In jedem Grüppchen gab es einen Schlauberger, der vorschlug, statt an der nächsten Bahn anzustehen, diese zu überspringen. Ich finde, das muss untersagt werden! Es führt zu heillosem Durcheinander. Die Nummerierung der Bahnen hat doch einen dramaturgischen Sinn. Aber während Bademeister streng sind und eine richtig gute Arschbombe schon zum Hausverbot führen kann, saß der Minigolf-Meister nur desinteressiert in seinem Kabuff und schaute zu, wie die Kinder sich mit den Schlägern jagten.

18 Bahnen sind sehr viel, mit jeder neuen Bahn steigt der Verdruss. Tobse Bongartz als Schriftführer übernahm es gern für Gesine Stabroth und mich, unsere vielen »7« auf dem Block zu notieren. Ihm gelang hingegen mehrfach eine »1«, ich vermute er hatte geübt oder besaß eine Fernsteuerung für den Ball. Er sank auf die Knie und reckte den Schläger empor, als habe er die US Open gewonnen. Ist das nicht peinlicher als meine Badehose? Gesine Stabroth sah es nicht. Sie hatte sich in den Schatten gesetzt, simste mit ihrer besten Freundin Tine, wahrscheinlich verabredeten sie sich fürs Freibad »ohne peinliche Jungs«.