Fastfood als Luxus

Neue gastronomische »Konzepte« treiben ­seltsame Blüten. Was sagt das aus über uns, die Kundschaft?

Ende der 90er Jahre gab es in der Entwicklung der Gastronomie eine Zäsur, deren Bedeutung kaum zu überschätzen ist: Pommes plus Schampus. Das kam beim Boutiquen-Publikum gut an, es war damals aber auch Anlass kritischer Betrachtungen: War der Trend Ausdruck eines neoliberalen Zeitgeists? Parodierte eine urbane Elite den Lebensstil des Proletariats? Nun ja, vor allem war es wohl gustatorisch grober Unfug — und zugleich die schlaue Idee, Banales zu veredeln und damit ein Publikum zu ködern, das sonst nur Fastfood aß, wenn es die Freunde vom Golfclub nicht sahen.

Fritten mit Champagner — das ist längst out, und die dazu servierte Currywurst mit Blattgold bloß noch ein Witz. Die Idee dahinter aber ist heute leitend bei vielen Neueröffnungen. Das sattsam Bekannte und Gewöhnliche wird auf edel getrimmt: mit einer neuen, exklusiven Zutat, mit einer ungewöhnlichen Präsentationsform oder einer herzzerreißenden »Story« dazu. Dann gibt es plötzlich einen Hype um Zimtschnecken, frittiertes Fettgebäck oder um irgendwie anders geschnittene Pommes. Es wird Sushi als Burger serviert, und das, was man früher mal Resteküche nannte, geht als nicht ganz billige Bowl über den Pass.

Fastfood als Luxus — einerseits trägt das zur Entspannung bei. Niemand muss mehr die maßgeblichen Barolo-Jahrgänge oder die klassischen französischen Saucen kennen, darf sich aber trotzdem als Experte in puncto Genuss und Lebensart wähnen. Andererseits ist der Kanon bloß neu aufgestellt worden, und das Ansehen wird nach wie vor über gastronomische Erfahrungen und kulinarische Kenntnisse geregelt. Bloß ist es heute wichtiger, mit Stäbchen zu essen statt eine Seezunge zu filetieren. Und man muss nun englisch anstatt wie früher italienisch oder französisch geschriebene Speisekarten lesen können.

Übrigens: Es gab Ende der 90er Jahre noch einen anderen  absurden Trend. In »Dunkelrestaurants« aß man Überra­schungs­gänge ohne Beleuchtung. Das war albern? Heute wäre es eine gute Maßnahme, um sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren: den eigentlichen Geschmack einer Zube­reitung — ohne das Brimborium drumherum.