Ist hier noch Platz für Wolkenkratzer? — Blick über den Hansaring nach Südwesten

Planung ohne Konzept

Das Baudezernat möchte mehr Hochhäuser zulassen

2004 ging das Wort »Sichtachse« in den Kölner Wortschatz ein. ­Wegen geplanter Hochhäuser in Deutz, die den Blick auf den Dom verstellt hätten, drohte die Unesco, ihn von der Welterbe-Liste zu streichen. Die Pläne wurden verworfen. Aber Regeln, wo Hochhäuser gebaut werden dürfen und wo nicht, hat die Stadt bis heute nicht aufgestellt. Nun ist die Debatte neu entbrannt, es geht um mehrere Bürotürme im Stadtgebiet: ein neues Justizzentrum in Sülz samt 1100 Autostellplätzen, ein 80-Meter-Hochhaus neben dem Colonius in Ehrenfeld, »Hoch­punkte« im Mülheimer Süden und an der Siegburger Straße in Deutz sowie ein bis zu 145 Meter hoher Turm für das Versicherungs­unter­nehmen DEVK in Riehl.  

Bau- und Planungsdezernent Markus Greitemann ist in der Bredouille. Denn schon im April 2020 hatte eine breite Mehrheit im Hauptausschuss des Rates die Verwaltung beauftragt, ein Hochhaus-Konzept für ein Gebiet bis zum Äußeren Grüngürtel auf beiden Rheinseiten zu erstellen. Es brauche eine umfassende Betrach­tung der Auswirkungen von Hoch­häusern, etwa zunehmender Verkehr, Verschattung, Fallwinde, Auswirkungen auf das Klima, Kosten für Infrastruktur, Unterbrechung von Sichtachsen. Doch das Konzept liegt auch nach knapp zweieinhalb Jahren nicht vor; es gibt bloß ein »Höhenkonzept für die linksrheinische Innenstadt« von 2007, um den Blick auf den Dom und die romanischen Kirchen zu schützen.

Die Linke kritisiert, dass so die Verhandlungsspielräume für Inves­toren größer würden. Mehr noch: Selbst in dem nun für 2023 in Aussicht gestellten Konzept möchte Greitemann gar keine präzisen Vorgaben machen. Das sei zu aufwändig und unflexibel, so der Dezernent. Michael Weisenstein, für die Linke im Stadtentwicklungsausschuss, sagt: »Das ist nicht legitim, weil die Politik beschlossen hat, dass zunächst ein Konzept vorliegen muss, wenn neue Hochhäuser errichtet werden sollen.«

Unterdessen droht die DEVK, die in Riehl mit rund 2100 Arbeits­plätzen ansässig ist, abzuwandern, falls ihre Pläne für einen Büroturm vereitelt würden. Die FDP sorgt sich um den Wirtschaftsstandort, weil die Stadtspitze um OB Henriette Reker, das Unternehmen zu lange hinhalte. Michael Weisen­stein fordert hingegen ein »Hoch­haus-Mora­torium«, solange kein Konzept vorliegt, um »gravierende städtebauliche Fehlentwicklungen zu vermeiden«, wie es in dem Antrag der Linken heißt. In das Konzept sollten auch Erfahrungen anderer Städte einfließen. Doch schon ein »Expertenhearing« nach dem Beschluss von 2020 blieb ohne Folgen. »Und jetzt kommen Investoren um die Ecke und ­wollen ein Hochhaus nach dem anderen bauen«, sagt Weisenstein. Seine Kritik richtet sich auch gegen die Grünen, die das Ratsbündnis mit CDU und Volt anführen. »Die sollten jetzt Herrn Greitemann, der offenbar sehr investorenfreundlich ist, zurückpfeifen und klarmachen, dass die Verwaltung nur nach ­außen vertreten kann, was politisch beschlossen wurde.« Der ­Antrag der Linken für ein Moratorium steht am 1. September auf der Tagesordnung des Stadtentwicklungsausschusses. Dass er angenommen wird, gilt als unwahrscheinlich — zumindest solange der Status des Dom als Welterbe nicht wieder gefährdet ist.