Mehr als nur Gesten

Ein von »Stimmen Afrikas« initiierter Kurzgeschichtenband versammelt Erinnerungen und Zukunftsvisionen

Ein Kinderlied und eine Kindheit, die sich gerade neu erzählt — das sind die beiden Elemente, mit denen Nafissatou Dia Diouf ihre Kurz­geschichte »Ich fahre...« strukturiert. Eine Frau in ihren Dreißigern, behütet und liebevoll in einer Mittelschichtsfamilie aufgewachsen, erfährt, dass sie in diese Familie nicht geboren, sondern als kleines Findelkind aufgenommen wurde. Also macht sie sich auf eine Zugfahrt ins Grenzgebiet nach Mauretanien, wo ihr »Erzeuger« lebt, von dem sie gerne hätte, dass er ihr Vater wird. Strukturiert wird diese Reise durch den Kinderreim »La Ronde des villes«, der kurze Trips in die verschiedenen Regionen des Senegals beschreibt. Die Reime inspirieren die Hauptfigur der Kurzgeschichte zu einer Reflexion über das Land und der metaphorischen Reise, auf der sie sich selbst findet.

»Ich fahre...« beziehungsweise »J’irai...« ist Teil des Projekts »Timescapes-aller-retour«, das die Kölner Literaturreihe Stimmen Afri­kas gemeinsam mit dem Übersetzungsstudiengang der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf durchführt. Studierende des Studiengangs übersetzen darin Kurzgeschichten von Autor*innen aus verschiedenen afrikanischen Kontexten, die aufgerufen waren, »über Vergangenes, doch nicht Vergessenes zu erzählen und in ­einem zweiten Schritt einen literarischen »Blick in die Zukunft« zu werfen«, wie es im Vorwort des Begleitbandes heißt, der gerade erschienen ist. Im September wird er vom Journalisten Mohammed Amjahid vorgestellt, auch Nafissatou Dia Diouf ist zu Gast.

Ebenfalls anwesend sein wird Jennifer Nansubuga Makumbi. Die ugandisch-britische Autorin erzählt in ihrer Kurzgeschichte »Guess what? / Was glaubt ihr?« eine Zukunftsvision aus Uganda, in der eine Frau sich aus den Abhängigkeiten ihrer Familie befreit. Biira, die jüngere Schwester der Erzählerin, verlässt ihren Ehemann, nachdem sie zum ersten Mal Sex mit Frauen hatte. Ihre ebenfalls lesbische Schwester blickt bewundernd und besorgt zugleich auf ihre Schwester, deren persönlicher Unabhängigkeitskampf darin gipfelt, dass sie den Mann, der ihre Mutter vergewaltigt hat, mit seiner Tat konfrontiert. »Guess what?« ist die Geschichte einer Selbstermächtigung, die es nicht bei Gesten belässt.

Stadtrevue präsentiert: Lesung: Do 1.9., Alte Feuerwache, 17 Uhr