Lästige Nazi-Altlasten

Andreas Storm forscht in seinem Roman »Das neunte Gemälde« den Kunst-Aktivitäten der Nazis nach

Ernst Lomberg war ein Nazi unter vielen. Qua Geburtsjahr 1919 prädestiniert, an Volk und Vaterland zu glauben, war er an der Westfront eingesetzt, kämpfte in Nordfrankreich für die Annexion des Erbfeindes und wurde dafür kurz vor Dunkerque von einer Granate im Gesicht getroffen, verlor letztlich aber nur ein Auge. Die Augenklappe, die er fortan trug, sollte ihn nicht nur in seinem dreidimensionalen Sehen behindern, sondern noch viel weitreichendere Folgen haben. Sein Sohn, Dr. Lennard Lomberg, ehemals Kunsthändler und Auktionator für Christie’s in London, sitzt Jahrzehnte später im selben Eames Lounge Chair wie der Herr Papa, der nach dem Krieg noch gesellschaftlichen Aufstieg feiern sollte, ist entgegen dem väterlichen Wunsch indes kein Jurist geworden und fiel in Ungnade.

Was andernorts schon genug Stoff für einen Roman um Vater-Sohn-Verhältnisse beschert, ist für den 58-jährigen Debütanten Andreas Storm aus dem Bergischen Land bloß Ausgangslage für eine gänzlich andere Geschichte: einen Krimi. Alles dreht sich dabei um einen mysteriösen Anruf, ein Drohszenario, einen Todesfall und ganz viel Kunst. Gekleckert wird auf den knapp 400 Seiten von Storms Roman »Das neunte Gemälde« nicht. Der Autor erzählt flott und ohne große Umschweife; dieser rasche Stil passt ob seines fehlenden Dekorums jedoch zur Geschichte. Details liefert der Roman dann wiederum, wenn es sich um Autos, Markenwaren und Kunstobjekte dreht. Das ist nicht bloß Effekthascherei, sondern dient hier auch einer Sache: Subtil markiert Andreas Storm das spätere bürgerliche Leben und den Reichtum derer, die es während der Entnazifizierung nicht sonderlich hart traf. Um dies und den dazugehörigen Wirtschaftskrimi zu erzählen, streckt sich der Text ordentlich. Fakt und Fiktion werden miteinander verknüpft: Wir landen in Paris 1943, BRD 1966, Berliner Republik und JetSet-Europa 2016; der Text folgt etlichen Figuren, im Mittelpunkt aber dennoch immer das Vater-Sohn-Paar Lomberg.

Wer nun bei Kunst, Krimi und einem Detektiv wider Willen an Dan Brown und seine Robert-­Langdon-Reihe denkt, sei vorerst beruhigt: Auch wenn hier manchmal mit der heißen Nadel noch eine RAF-Mitgliedschaft reingestrickt werden muss, geht es nicht um das große Tam-Tam und Effekte. Viel eher stellt sich zwischen den Zeilen immer wieder die Frage: Wie weit reichen die Taten der Nazis in die heutige Zeit? Und welche Konsequenzen hat das für uns — in der Fiktion und der Realität?

Andreas Storm: »Das neunte Gemälde«, KiWi, 416 Seiten, 17 Euro
Lesung bei der Crime Cologne: Fr 30.9., Maternus Buchhandlung, 20 Uhr