Wildwuchs, politisch beschlossen: Die neue Gartenordnung soll Kölns Kleingärten nachhaltiger machen

Die neue Unordnung

In Kölns Kleingärten gelten künftig neue Regeln. Sie sollen Ökologie und Vielfalt stärken

Zehn Paragrafen, 137 Unterpunkte,  19 Seiten: Dort geht es um Hochbeete, Trampoline, Windkrafträder, Sitzstangen für Greifvögel. Es sind die Regeln, die künftig für Kölner Kleingärtnerinnen und Kleingärtnern gelten werden. Der Stadtrat hat im September eine neue »Gartenordnung für Kleingärten« verabschiedet, die 2023 in Kraft tritt. Sie soll »die sozialen, ökologischen und klimabedeutsamen Funktionen« der mehr als 13.000 städtischen Kleingärten stärken. Vor allem Umweltschutz, Klimaanpassung und Artenvielfalt sollen in den 116 Kölner Kleingartenvereinen mehr Bedeutung bekommen — Aspekte, die auch in der Stadtentwicklung immer bedeutender werden. Kleingärten gelten als wichtiger Bestandteil des Grünsystems, zumal viele Anlagen zentral in Städten liegen, wo Bebauung und Verdichtung weit vorangeschritten sind.

Bereits im Juli 2020 hatte der Umweltausschuss einstimmig beschlossen, die Gartenordnung zeitgemäßer zu gestalten. Während die bislang letzte Überarbeitung vor zehn Jahren maßgeblich vom Kreisverband der Kölner Gartenfreunde gestaltet wurde, übernahm die jüngste Novellierung eine Arbeitsgruppe aus Politik, Verwaltung und Kleingärtnern. Dass Mitglieder von Stadtrat, Unterer Naturschutzbehörde und Stadtverwaltung mitwirkten, unterstreicht die gestiegene Bedeutung der Kleingärten. Seit Januar 2021 traf sich die Arbeitsgruppe ein Jahr lang regelmäßig. Zudem wurde eine Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt, die mehr als 1600 Rückmeldungen, vor allem von Kleingärtnern, einbrachte.

Der oberste Kleingärtner der Stadt zeigt sich zufrieden: »Die neue Gartenordnung lässt mehr ökologische Vielfalt zu und ruft sogar dazu auf«, sagt Michael Franssen, Geschäftsführer vom Kreisverband der Kölner Gartenfreunde. Die Vorgaben, was angebaut werden darf und was nicht, wurden reduziert. Zwar muss weiterhin ein Drittel der Gartenfläche mit Obst und Gemüse bepflanzt werden — womit genau, bleibt aber nun jedem selbst überlassen. »Die Leute sollen Freiheiten haben, wie sie gärtnern«, sagt Caroline Michel, selbst Kleingärtnerin und für die Wählergruppe GUT in der Arbeitsgruppe. »Und wenn jemand ein Drittel seines Gartens mit Erdbeeren bepflanzen will, soll er das tun.«

Auch beim Anpflanzen von Bäumen wurden Verbote gestrichen. »Es dürften bald sogar Waldbäume gepflanzt werden«, sagt Michael Franssen vom Kreisverband Kölner Gartenfreunde. Keinen Wildwuchs wird es auch in Zukunft hingegen bei Hecken geben. Sie dürfen an der Grundstücksgrenze aber bis zu 1,50 Meter hoch sein, zuvor lag die Obergrenze bei 1,25 Meter. »Man gibt keine Heckenhöhe vor, um Kleingärtner zu traktieren«, beteuert Franssen. Vielmehr dienten Kleingartenanlagen auch der Naherholung aller Kölner. »Das tun sie aber nicht, wenn sich die Kleingärtner hinter Zwei-Meter-Hecken einigeln.«

Vereinfacht wurden Regeln für bebaute Flächen, bei denen zuvor unterschieden wurde zwischen Aufbauten wie einer Laube und sonstigen versiegelten Flächen, etwa Terrassen oder Wegen. »Künftig darf man 50 Quadratmeter versiegeln. Egal, wie groß die Hütte ist«, erklärt Caroline Michel von GUT. »Vereinfacht gesagt: Man darf nicht mehr so viel versiegeln und man darf sich aussuchen, wie man versiegelt. Wem eine kleine Hütte reicht, der darf eine größere Terrasse haben — oder umgekehrt.«


Wenn jemand ein Drittel seines Gartens mit Erdbeeren bepflanzen will, soll er das tun
Caroline Michel, Wählergruppe GUT

Die Politikerin Caroline Michel weiß allerdings auch, dass eine neue Kleingartenordnung allein nicht für ökologischere Gärten sorgen wird. »Wir können Regeln aufstellen. Wie die umgesetzt werden, können wir nicht beeinflussen.« Michel beobachtet bei neuen Kleingärtnern ohnehin ein wachsendes Interesse am naturnahen Gärtnern. »In vielen Veedeln kommen keine neuen Pächter hinzu, die ihren Rasen mit der Heckenschere schneiden und einen Jägerzaun aufstellen.« Dem stimmt Michael Franssen vom Kreisverband im Grundsatz zu: »Die einen nehmen den Kleingarten als Campingplatz-Ersatz. Die anderen haben Interesse an Natur und nachhaltigem Gärtnern. Aber generell gewinnen Gemüse und Gartenfrüchte wieder an Attraktivität.« Franssen hat zudem seit Beginn der Corona-Pandemie nochmals eine gestiegene Nachfrage in den Kölner Kleingartenvereinen beobachtet. Die neue Gartenordnung soll nicht nur die Nutzung der Kölner Kleingärten verändern. Sie bildet auch ab, was sich in den Parzellen schon längst verändert hat.